loading
Wir nutzen Cookies zur Verbesserung unseres Webauftritts. Informationen zu Ihrer Nutzung werden daher an Google übermittelt.
Details ansehen.OK
Kategorie: Kuhlumne

Achtwöchiges Praktikum bei der gemeinnützigen Organisation „Kathmandu Animal Treatment Center“, Kathmandu, Nepal

(Wie) Kann man klinische Arbeit und Tierschutz verbinden? Und das bereits im PJ? Und dann auch noch im Ausland? Diese Fragen habe ich mir nicht nur einmal gestellt, denn die Anerkennung von Praktika im Bereich des Tierschutzes außerhalb von deutschen Veterinärämtern kann sich häufig schwierig gestalten. Außerdem wollte ich auch praktische Erfahrungen im PJ sammeln – wie das alles unter einen Hut kriegen?

Nun ja, in Nepal habe ich eine Lösung gefunden. Eigentlich war ich „nur“ auf der Suche nach einem Auslandspraktikum und hatte nicht wirklich daran geglaubt, die Tierschutzarbeit mit integrieren zu können. Ich wollte sehr gerne nach Asien – zum einen, weil mich östliche Kulturen faszinieren (wobei ich feststellen durfte, dass das Bild, was in Deutschland von hinduistisch und buddhistisch geprägten Ländern gezeichnet wird, ein ganz anderes ist als in der Realität), zum anderen aber auch, weil ich den kulturellen Kontrast zu unserer westlichen Welt erfahren wollte und ich noch keine Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt hatte. Coronabedingt durfte ich meine Pläne zwei Monate vor geplanter Abreise noch einmal anpassen, doch am 5.01.2022 fand ich mich am Flughafen in Hannover wieder – mit einem Ticket über Istanbul nach Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal.

Selbst gebastelte Drainage nach OP einer Mucocele

Ich hatte bereits 2020 Kontakt zu der Organisation „Kathmandu Animal Treatment Center“ (kurz: KAT), aufgenommen, von der ich über mehrere Kanäle gehört hatte. Die Organisation setzt sich auf verschiedenen Wegen für Straßenhunde in Nepal ein – allein in Kathmandu und Umgebung sind es über 30.000 Tiere! Kernpunkte der Arbeit sind Notfallversorgungen (die Organisation verfügt über eine eigene Klinik mit Station), Geburtskontrollprogramme, Tollwutimpfprogramme, Aufklärungsarbeit und weitere Projekte. Außerdem bietet die Organisation ein „Technical Internship“ bzw. Volunteering für Menschen mit tiermedizinischem Hintergrund an, das auch von ausländischen Universitäten im Rahmen praktischer Tätigkeiten der Aus- und Weiterbildung anerkannt werden kann – also genau das, was man für das PJ benötigt.

Der Kontakt war sehr nett und unkompliziert, sodass es kein Problem war, als ich mich Ende Oktober 2021 für ein zweimonatiges Praktikum ab Januar bewarb. Von der Uni musste ich mir den Praktikumsort bestätigen lassen, aber auch das ging glücklicherweise schnell und einfach. Bis zum letzten Tag rechnete ich damit, dass COVID dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung machen würde – Ein- und Ausreisebestimmungen änderten sich, (partielle) Lockdowns waren im Gespräch und vieles mehr… aber schließlich fand ich mich im Flugzeug und dann, eingereist mit einem 90-Tage-Visum, in Kathmandu wieder.

Amputationen sind recht häufig nach Traumata wie Auto-/Motorradunfällen, da es keine Möglichkeiten zur Osteosynthese gibt

Ich hatte mir eine Unterkunft über AirBnB gesucht; oft kann die Organisation Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, da es jedoch einige strukturelle Schwierigkeiten gab, war das bei mir leider nicht möglich. Egal: Chance, bei einer nepalesischen Familie zu wohnen. Die Lebenserhaltungskosten in Nepal sind wesentlich geringer als in Deutschland, sodass ich für das Zimmer weit weniger Miete zahlen musste als zu Hause – ein sehr netter Benefit für einen studentischen Geldbeutel, da Hin- und Rückflug mit ca. 1000€ doch ziemlich zu Buche schlagen. Dafür kann man auch recht günstig (und sehr gut!) essen, nur Alkohol ist verhältnismäßig teuer (eine Flasche Bier kann gut und gerne so viel kosten wie zwei Mahlzeiten).

Das nur so nebenbei, zurück zur Tiermedizin. Mein erster Arbeitstag war ein Sonntag, da in Nepal eine 6-Tage Woche mit Samstag als freiem Tag üblich ist. Hört sich erstmal viel an, die Arbeitszeiten waren mit 10-17 Uhr aber recht entspannt, was das Ganze wieder ausgeglichen hat. Die Organisation verfügt über zwei Tierärzte und zwei „Animal Handlers“, die zwar über keine spezielle tiermedizinische Ausbildung verfügen, aber so angelernt wurden, dass sie auch Anästhesien überwachen und kleinere Behandlungen durchführen können – und nebenbei (bzw hauptsächlich) extrem gut im Umgang mit den Straßentieren sind. Beide Tierärzte haben in Nepal studiert und einige Zeit in Indien verbracht – und ich war beeindruckt, was für tolle Arbeit sie trotz der limitierten Umstände leisteten!

Autoklav in Aktion

Insgesamt waren die Verhältnisse doch sehr anders als in Deutschland. Klar, es handelt sich um eine fast ausschließlich von Spenden finanzierte Organisation, aber auch in privaten Kliniken seien die Standards doch wesentlich „geringer“ als in westlichen Nationen. Bestes Beispiel ist die Verfügbarkeit von Medikamenten: das einzige Opioid, das zur Verfügung steht, ist Tramadol, was in Deutschland noch nicht einmal als BtM gelistet ist, weil seine Wirkung „zu schwach“ ist bzw kaum Suchtpotenzial hervorruft – und hier gab es keine andere Möglichkeit! (Kurzer Hinweis: wenn ihr keine Lust auf Pharma habt, dann werdet Tierarzt in Nepal, da habt ihr wesentlich weniger Medikamente zu lernen 😉). Nein Spaß beiseite: die Tierärzte wussten trotzdem sehr gut über andere Medikamente und pharmakologische Prozesse Bescheid, man kommt also auch dort im Studium nicht drum herum.

Die Arbeit selbst hat großen Spaß gemacht und ich wurde direkt aktiv mit eingebunden. Die Tage begannen immer mit dem Säubern der Käfige und dem Füttern der Tiere, da es keine extra Reinigungskräfte gab. Auch Dinge wie OP-Besteck oder Medikamente mussten wir selbst vorbereiten, was ich aber nicht schlimm finde, im Gegenteil: es war sehr schön zu sehen, dass kaum Hierarchien herrschten, sondern sich jeder dort eingebracht hat, wo gerade Hilfe benötigt wurde und sich auch der Cheftierarzt nicht zu schade war, einen Besen in die Hand zu nehmen oder die Glühbirne zu reparieren.

Nach dem Reinigen ging es an die Behandlung der stationären Tiere. Gleichzeitig wurde der restliche Tag geplant, also Handy und Facebookaccount nach Rettungsanfragen für verletzte Tiere gecheckt. Insgesamt gab es ca 15-20 stationäre Tiere, wobei nicht alle eine Behandlung benötigten, einige waren „Dauergäste“, die auf eine Adoption oder einen Platz in einem Tierheim warteten. Schon nach wenigen Tagen durfte ich die stationären Patienten komplett selbst behandeln. Alle Tiere haben Namen bekommen und die meisten durften tagsüber frei auf dem Gelände herumlaufen, sodass man mit der Zeit eine ziemliche Bindung zu einigen Tieren aufbauen konnte. Die Behandlungen wurden meistens von einer Tierärztin durchgeführt, während der andere Tierarzt in der Zeit zusammen mit dem Fahrer (da es in Nepal relativ selten ist einen Autoführerschein zu haben, in der Regel wird alles per Motorroller erledigt) Notfälle einsammelte, die nicht in die Klinik gebracht werden konnten.

Solo-OP im Kastrationscamp

Nach den stationären Behandlungen ging es je nach Notfällen und Terminlage in der Regel in den OP. Eigentlich werden in der Klinik keine privaten, sondern nur Straßentiere behandelt, sie arbeiten also weitgehend terminunabhängig nach eigenem Zeitplan. Einzige Termine, die vereinbart werden können (im Schnitt 1-2 pro Tag), sind Kastrationstermine, sowohl für Besitzertiere als auch für Streuner.

Die häufigsten Notfälle waren Infektionskrankheiten wie Parvovirose, Staupe (Impfstoffe sind zwar verfügbar, aber auch bei Haustieren nur selten eingesetzt) oder Parasiten, Traumata (oft Auto-/Motorradunfälle) und Hauterkrankungen. Meistens wurden die Tiere zur genaueren Untersuchung mit Xylazin sediert, da Straßentiere in ihrem Verhalten beim Tierarzt nochmal schwieriger einzuschätzen sind. Je nach Erkrankung werden die Tiere medikamentös und/oder chirurgisch versorgt. Außerdem wird jedes Tier unabhängig von seiner Erkrankung kastriert und gegen Tollwut geimpft, bevor es nach der Genesung wieder auf die Straße entlassen wird. Im ersten Moment klingt es vielleicht brutal, die Tiere wieder auszusetzen, doch leider gibt es weder genug Tierheimplätze noch Menschen, die Hunde adoptieren möchten. Außerdem geht es den Tieren „draußen“ oft gar nicht so schlecht wie erwartet. Sie haben feste Reviere, Artgenossen und oft auch Menschen, die Futter, Wasser und manchmal Unterstände zur Verfügung stellen.

Ein weiteres wichtiges Standbein sind Kastrationsprojekte, korrekter: ABC (= animal birth control) programs, um der unkontrollierten Vermehrung der Straßentiere entgegenzuwirken. Dies dient zum einen der Minderung von Tierleid, da die Lebensumstände für Straßentiere nicht immer angenehm sind, zum anderen aber auch dem Schutz der Bevölkerung aufgrund der Gefahr der Übertragung zoonotischer Erreger. ABC-Projekte finden in der Regel in Kooperation mit lokalen Regierungen statt, manchmal auch durch finanzielle Unterstützung von Vereinen. Zu Beginn meiner Zeit lief ein Projekt, bei dem Tiere vor Ort in die Klinik gebracht wurden – gegen Ende durfte ich an einem „ABC Camp“ teilnehmen. Ein Camp dauert in der Regel für mindestens eine Woche und findet nicht in der Klinik, sondern in einem äußeren Bezirk der Stadt statt. Es werden Räumlichkeiten organisiert, die für die Dauer der Zeit zu Vorbereitung, OP und „Station“ umfunktioniert werden, um jeden Tag eine gewisse Anzahl an Tieren kastrieren und gegen Tollwut impfen zu können. Trotz teils „interessanter“ äußerer Bedingungen wurde hier sehr gut auf Hände- und instrumentelle Sterilität geachtet – die Organisation verfügt zum Beispiel über einen abenteuerlichen tragbaren Autoklaven (siehe Foto), der seinen Job jedoch zuverlässig erledigt. Und interessanterweise gibt es so gut wie keine Probleme mit postoperativen Wundinfektionen, weder in der Klinik noch in Camps.

Eine weitere Vision der Organisation ist es, ein Zentrum für die Behandlung von mit dem „Sticker Sarkom“, einer venerisch übertragbaren tumorösen Entartung des Geschlechtstraktes, befallenen Tieren errichtet werden. Die Erkrankung stellt ein weit verbreitetes, sehr schmerzhaftes Problem dar, das jedoch nur mit einem Chemotherapeutikum behandelt werden darf, weshalb gesonderte Sicherheitsvorkehrungen benötigt werden.

Wie erwähnt durfte ich schnell recht viel selbst machen – von der Behandlung der stationären Tiere über Therapie von neuen Tieren nach Absprache bis hin zum Anlernen im OP. Gegen Ende dufte ich sowohl männliche als auch weibliche Tiere komplett selbst ohne weitere Assistenz kastrieren, im Camp sogar 7-8 Stück pro Tag – das also als großer Benefit gegenüber Deutschland. Allerdings muss man anmerken, dass die Anzahl der Fälle insgesamt wesentlich geringer war als in einer deutschen Praxis oder Klinik und die diagnostischen Möglichkeiten doch sehr limitiert, für eine internationale Karriere als Chefchirurg:in vielleicht nicht die besten Grundlagen ;). Dennoch kann ich nur sagen, dass ich – auch wenn nicht alles „perfekt“ lief – wirklich glücklich mit dem Praktikum war, sehr dankbar für die Erfahrungen bin und keinen Schritt bereue!

Happy-Dog, nachdem er ein Leuchthalsband zum Schutz vor Autounfällen bekommen hat.

Falls Du dich für ein ähnliches Praktikum interessierst, passe bitte gut auf bei der Wahl der Organisation! Es wird aktuell viel Geld für Kastrations- und Impfprojekte seitens der Regierungen bereitgestellt, was jedoch oft auch negativ ausgenutzt wird. Mir wurde erzählt, dass in einigen so genannten „Tierschutz“organisationen nicht einmal Tierärzte vorhanden sind, Operationen und Behandlungen also von fachfremden Personen durchgeführt werden. Außerdem wird, um Zeit und Ressourcen zu sparen, von Sterilisation und Wechseln des Bestecks zwischen den Tieren abgesehen, sodass mehrere Tiere mit denselben Bestecken operiert und diese abends – wenn überhaupt – nur mit Wasser abgewaschen werden. Die Qualität der Arbeit der Organisationen wird oft leider nur unzureichend kontrolliert, denn schöne Bilder auf Social Media zu posten scheint Menschen noch stärker zu beeinflussen als bewusste Recherche über die Hintergründe der Arbeit. Daher hier der Hinweis, dich nicht vom Schein trügen zu lassen, sondern so gut wie möglich hinter die Kulissen zu schauen und Erfahrungsberichte einzuholen. Aber ansonsten: Go for it!! Es war eine wirklich schöne und intensive Zeit für mich, sehr lehrreich und voller toller Erfahrungen.

Ach ja, Urlaub nicht vergessen! Kathmandu selbst ist weniger schön und auf Dauer sehr stressig, schmutzig und anstrengend. Doch die Landschaften von Nepal sind einzigartig. Ich war im Anschluss an das Praktikum unter anderem zehn Tage im Himalaya und durfte frei laufende Nashörner und Krokodile in einem Nationalpark sehen – es lohnt sich also auch abgesehen von den tierärztlichen Erfahrungen total!

Falls es dich interessiert, findest du hier den Link zur Website der Organisation: https://katcentre.org/en/, die auch auf Facebook unter „KAT Centre“ aktiv sind.

Gerne kannst du dich auch bei mir (Instagram @vetspiration, Facebook @annafriedrichvetcoach) melden, wenn du weitere Fragen oder generelles Interesse hast oder einfach nur so auf den Social Media Kanälen vorbeischauen, wo ich auch immer wieder Eindrücke vom Praktikum einstreue.

Ich hoffe, dass dir der Bericht gefallen hat und du Lust auf ein Auslandspraktikum bekommen hast! Ich kann dir wirklich nur von Herzen sagen: es lohnt sich!

Hab einen tollen Tag, alles Liebe und vielleicht bis bald,

Anna 

Teamwork! 🙂