Kategorie: Kuhlumne
Praktikumsbericht Kleintierpraxis Gården Dyreklinikk in Bergen
Ich bin Johanna und möchte von meinem sechswöchigen Praktikum in Bergen berichten. Wieso ich auf Norwegen kam? Gute Frage, mich reizte vor allem die wunderschöne Natur und nach den stressigen Studienjahren ein Tapetenwechsel. Norwegen war schon lange ein Reiseziel von mir, somit dachte ich mir, ist das PJ die ideale Gelegenheit das Land zu bereisen und die dortige Arbeitsweise kennen zu lernen.
Soweit der Plan. Die Umsetzung war zunächst gar nicht so einfach, da ich zunächst auf der Suche nach einer Großtierpraxis war, die Einzige, die mir antwortete, konnte mich allerdings aufgrund der Coronalage nicht aufnehmen. Somit änderte ich meine Suche dann zu einer Kleintierpraxis. Hier fand ich deutlich mehr Angebote. Allerdings war es auch hier gar nicht so einfach eine Praxis zu finden, da viele Praxen mir zwar zusagten, dass ich kommen kann, sich dann allerdings nicht mehr meldeten. Im Nachhinein erfuhr ich, dass es in Norwegen nicht üblich ist Praktika in Praxen zu machen, daher sind es die Praxen wohl auch nicht gewohnt sich damit auseinander zu setzen. Zu guter Letzt fand ich dann doch die Gården Dyreklinikk in Bergen, die mich mit offenen Armen aufnahm.
Das Praxisteam besteht aus 5 Ärzten: eine Onkologin, eine Chirurgin, ein Zahnarzt und zwei Allround-Ärzten. Dies hat den großen Vorteil, dass man immer ein wenig durchwechseln kann. Die Klinikausstattung beinhaltet ein Röntgengerät, Ultraschall sowie Blut- und Urinanalysegeräte, also eher eine standartmäßige Ausstattung. Viele Termine waren „nur“ Impftermine oder Check-ups, aber man konnte immer ganz gut zwischen den Ärzten wechseln, um die interessanten Fälle mitzubekommen. Falls an einem Tag wirklich nichts Spannendes passiert ist, konnte ich auch ohne schlechtes Gewissen früher gehen.
Da im Team zwei Leute aus Irland und eine Brasilianerin arbeiten, wird meist auf Englisch kommuniziert, was die ganze Sache für mich sehr stark erleichterte. Patientengespräche waren teilweise auf Englisch, teilweise auf Norwegisch. Der Vorteil von norwegisch ist, dass man sich viele Wörter aus dem deutschen oder dem englischen herleiten kann, trotzdem braucht man einige Tage, um sich reinzuhören bzw. sollte idealerweise vorher ein wenig norwegisch lernen. Mein norwegisch beschränkt sich jetzt auf Wörter wie trinken, essen, Durchfall und Erbrechen. 😊
Da ich vor diesem Praktikum kaum Erfahrung mit Kleintieren hatte, bin ich bei null gestartet aber durfte trotzdem sehr viel selbst machen. Für mich war es am wichtigsten ein wenig Routine ins Blutabnehmen, Katheter schieben, den klinischen Untersuchungen und den allgemeinen Umgang mit den Tieren zu bekommen. Dies funktionierte nach ein paar Tagen auch meist ohne Probleme. Am Ende des Praktikums sollte ich auch Patientengespräche eigenständig durchführen. Immer wenn ein wenig Zeit war, konnte man einzelne Fälle gezielter durchsprechen und all meine Fragen wurden ausführlich beantwortet. Unsere wohl spannendsten Fälle waren ein Rottweiler mit einem riesigen Tumor, der um den Blinddarm wuchs, aber noch entfernt werden konnte und ein Pinguin, der eine Münze gefressen hatte.
In Bergen wird der Notdienst von allen Kliniken abgedeckt (jeweils eine Woche). Als Tipp kann man sich also vorher erkundigen, wann welche Klinik mit den Notdiensten dran ist, damit man das Praktikum in diesen Zeitraum legen kann. Ich war nur noch zwei Abende im Notdienst da, diese waren aber wirklich vollgepackt mit Hundebissen, Schlangenbissen, Pyometren und somit sehr lehrreich.
Zwei Punkte, die ich in Norwegen sehr gut finde, sind zum einen das Versicherungssystem für die Haustiere. Fast alle Haustiere sind versichert, somit sind viele aufwändigeren Behandlungen, wie z.B. Chemotherapie für die Halter eher umsetzbar und die Frage des Geldes steht nicht immer im Vordergrund. (Was auch ganz gut ist, da die Tierarztkosten in Norwegen um einiges höher sind als in Deutschland). Zum anderen müssen, um Resistenzen bei den Antiparasitika vorzubeugen, Kotproben eingeschickt werden, bevor die Tiere entwurmt werden dürfen.
Generell ist Norwegen einfach ein sehr teures Land. Ich hatte bei meiner Unterkunft großes Glück und wurde von einer WG ganz in der Nähe der Praxis für wenig Geld aufgenommen. Gefunden habe ich diese über eine Facebookgruppe für Erasmusstudierende. Für mich war dies ein großer Glücksgriff, da ich somit schnell Anschluss gefunden habe und man nicht in seiner Tiermediziner-Welt gefangen ist.
Ein besonderer Tag meines Aufenthaltes war der 17. Mai, der Nationalfeiertag der Norweger. Jeder fieberte diesem nach zwei Jahre Coronapause entgegen. Sogar das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite und zeigte die eher seltene Sonne. Traditionsgemäß wird er früh morgens um 7 mit einem Champagnerfrühstück gestartet. Alle Norweger tragen ihre Bunads (die traditionelle Kleidung). Diese sind von Region zu Region unterschiedlich und sehr schick. Um 10 fängt dann die große Parade in der Stadt an, zu der sich alle versammeln und zuschauen. Danach ist eigentlich den ganzen Tag Programm in der Stadt von Bootsrennen über Segelflugshows und diverse Konzerte. Diese kann man mit einem Hotdog und Eis genießen. Abgeschlossen wird der Tag mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne und einem Feuerwerk.
Da Norwegen ein Wanderland ist, nutzte ich jede Gelegenheit, die sich bot, um Wanderungen zu unternehmen. Sofern die Schneesituation dies zu lies (ja auch im Juni gibt es dort noch Schnee in den Bergen) genoss ich die atemberaubend schöne Fjordlandschaft in vollen Zügen.
In dem anschließend geplanten Urlaub besuchte ich auch noch einige Farmen, um zumindest einen groben Einblick der dortigen Rinderhaltung zu bekommen. Mein Eindruck: Es gibt sehr viele kleine Farmen (8-20 Kühe) aber natürlich auch größere. Eine Farm mit 30 melkenden Kühen gilt hier aber auch schon als mittelgroß. Weidehaltung in Kombination mit Anbindehaltung für die Nacht und schlecht Wettertage ist hier die Regel. Allerdings soll sich dies in den nächsten Jahren ändern, da dann Laufställe vorgeschrieben werden sollen.