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Kategorie: Kuhlumne

Praktikum in Israel

Ich bin Anna Putsch, Studentin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, und jetzt am Ende meines Praktischen Jahres. In den letzten Jahren habe ich jede freie Zeit während des Studiums damit verbracht die Welt zu entdecken. Das Praktische Jahr ist eine tolle Möglichkeit die tiermedizinische Arbeit in anderen Ländern kennenzulernen.

Während meiner Planungsphase für das Praktische Jahr habe ich mir den dicken Ordner im International Office vorgenommen, um mal einen Überblick zu bekommen was alles so möglich ist. Dort gab es einen einzigen Bericht einer Studentin, die von ihrem Praktikum aus Israel schwärmte. Ich hatte keine Ahnung von der Kultur oder den Menschen dort. Keine Ahnung von der Landwirtschaft. Ich habe mich einfach Online bei Hachaklait beworben, wurde angenommen und bin dann, als klar war, dass die Coronamaßnahmen in Israel meine Einreise erlauben, losgefahren. Na gut, so einfach war es nicht. Erst musste ich meine Tollwutimpfung organisieren, eine Unterkunft in zwei komplett verschiedenen Orten Israels finden und ein Auto mieten.

Hachaklait ist die größte Rinderpraxis in Israel und hat seine Ärzt*innen über das ganze Land verteilt. Das besondere an der Praxisorganisation ist, dass sie den Landwirt*innen selbst gehört. Jeder Milchbetrieb, der in Hachaklait eintreten möchte, muss sich dort einkaufen und zahlt dann monatlich einen Betrag pro Kuh. Die Tierärzt*innen kommen dann ein- bis dreimal die Woche auf jeden Betrieb und übernehmen die Bestandsbetreuung, Trächtigkeitsuntersuchungen und den Notdienst ohne einen Aufpreis.

Im Großen und Ganzen unterscheidet sich die Tierärztliche Arbeit in Israel nicht von der in Deutschland. Es wird die gleiche Rinderrasse, Holstein, genutzt, die Kühe werden zum Großteil künstlich besamt und haben ähnliche gesundheitlichen Probleme. Das erste was mir aufgefallen ist, war, dass die Arbeitswoche hier von Sonntag bis Donnerstag geht. Von Freitagnachmittag bis Samstagabend ist Shabbat und da fahren noch nicht mal öffentliche Verkehrsmittel von Tel Aviv bis zum Flughafen (etwas, dass ich dann am Ende meiner Reise bemerken musste). Und die Arbeitszeiten. Man fängt deutlich früher an, um im Sommer der Hitze zu entgehen. Wenn man um 6 Uhr den ersten Termin hat, muss man teilweise schon um 5 Uhr morgens auf dem Weg sein. Dafür ist man dann aber auch gegen zwei oder drei Uhr fertig. Deswegen musste ich mir auch ein Auto leihen. So früh fährt der ÖPV noch nicht oder er ist so unzuverlässig, dass ich nicht sicher pünktlich zur Arbeit kommen konnte. Was mir im Gegensatz zum frühen Arbeitsbeginn sehr gut gefallen hat, war die gute Vorbereitung der Landwirte. Da der Tierarzt jede Woche am gleichen Tag und um die gleiche Uhrzeit kommt, war alles bereit, wenn wir auf den Hof gefahren sind. Die zu untersuchenden Kühen waren im Fressgitter fixiert und der Herd Health Manager war mit einem Klemmbrett und einer Liste bewaffnet. In einem enormen Tempo sind wir dann von Kuh zu Kuh gegangen und haben die Kühe gezielt untersucht. In meinen zwei Wochen dort musste ich kaum durch irgendwelche Ställe stapfen und nach fehlenden Kühen suchen.

Durch diese Effektivität am Anfang des Besuches, war dann immer Zeit für einen Kaffee, Hummus und ein Pläuschen mit den Mitarbeitern. So mussten wir uns nie um ein Mittagessen kümmern und kamen immer satt und etwas aufgedreht von der Arbeit.

Und nun zu der Zusammenarbeit mit den Tierärzt*innen. In Israel müssen alle Studierenden zwei Wochen ein Praktikum im Großtierbereich machen und da es außer Hachaklait nur wenige andere Praxen in dem Bereich gibt, machen es fast alle dort. Das bedeutet aber auch, dass man dort auch nur Praktika für zwei Wochen machen kann (Außer man kennt einen Tierarzt, der einen für längere Zeit aufnimmt). Mir wurden zwei Tierärzte zugeteilt, mit denen ich dann jeweils eine Woche mitfahren durfte. Mir wurde schnell klar, dass es von Vorteil ist, wenn man eine Woche immer mit dem gleichen Menschen mitfährt. Beide Tierärzte brauchten einen Tag, um mich einschätzen zu können. Was kann ich, was kann ich vielleicht noch nicht. Aber dann durfte ich schnell vieles selbst durchführen und Wissenslücken wurden schnell aufgefüllt. Auf den Autofahrten zwischen den Besuchen war dann Zeit für Fragen und Gespräche über die Landwirtschaft, Tiermedizin und das Leben in Israel.

In diesen Gesprächen wurde mit klar, dass Religion dort einen deutlich höheren Stellenwert hat als in Deutschland. Die Rabbis sitzen in der Regierung, sind für Hochzeiten zuständig (eine staatliche Vermählung gibt es nicht), haben aber auch in der Milchindustrie ein Wörtchen mitzureden. Das bedeutet für uns Tierärzt*innen, dass die Regeln für eine Koschere Kuh eingehalten werden müssen. Eine der wichtigsten Regeln ist, dass der Gastrointestinaltrakt nicht punktiert werden darf. Klingt erstmal nicht so schwer. Bis du eine Kuh mit Labmagenverlagerung hast. Anstatt das Gas über eine Punktion des Labmagens über einen Schlauch abzuleiten, muss man versuchen den großen aufgeblasenen Labmagen, wie einen Wasserball, den man unter Wasser drücken möchte, nach unten drücken. Durch die Rückverlagerung kann das Gas dann weiter nach distal in den GIT gelangen und stellt kein Problem mehr da. Das Wichtigste ist dabei der Assistent-Rabbi der neben dir steht, Kaffee trinkt und aufpasst, das du das auch wirklich richtig machst und keine Nadel in die Nähe des Labmagens kommt.

Ich habe aber auch gelernt, dass nicht alle jüdischen Israelis das mit der Religion so ernst nehmen. So kann ein Kibbutz auch mal Schweine halten, obwohl diese als unkoscher gelten. Man hat sich mit den Rabbis dann darauf geeinigt einen Stall auf Stelzen zu bauen. So berühren die Schweine „das heilige Land nicht und dann ist das schon okay“. Ähnliche „Lücken“ in den religiösen Gesetzen werden auch in anderen Lebensbereichen gefunden und ohne Bedauern oder Bedenken angewendet.

 Die Israelis habe ich als sehr weltoffenes und gastfreundliches Volk kennengelernt. Ich wurde zum traditionellen Shabbat-Essen (in Deutschland vergleichbar mit dem Sonntagsessen) eingeladen und hatte während meiner Rundreise nach dem Praktikum auch kein Problem einen Ort zum Couchsurfing zu finden. Israel ist leider kein Land mit niedrigen Lebenserhaltungskosten. Ohne diese Gastfreundlichkeit wäre mein Budget viel zu rasch für Essen und Unterkunft draufgegangen.

Die Geschichte Israels ist in Vergangenheit und Gegenwart durch viel Ein- und Auswanderung geprägt. Überall in diesem wunderschönen Land stolpert man über Überreste vergangener Reiche. Mit den Ägyptern, Römern, Kreuzrittern und Osmanen möchte ich nur einige wenige nennen. Auch die aktuelle Situation ist von Diversität und Konflikten geprägt. Auf den Farmen wurde Hebräisch, Arabisch, Englisch, Thai oder sogar Deutsch gesprochen. Mit dem einen Tierarzt in der Nähe Ashkelons habe ich die Straße genommen, die parallel zur Mauer zum Gazastreifen verläuft oder mehrmals täglich die Grenzposten zum Westjordanland passiert. Beim anderen Tierarzt in Galiläa konnte man den Raketenabwehrzeppelin gegen syrische Raketen von fast jedem Hügel sehen. Trotz allem habe ich mich in diesem Land zu jedem Zeitpunkt sicher gefühlt und konnte mich mit Englisch eigentlich überall gut verständigen. Ein Grenzübertritt ins Westjordanland ist als Tourist ebenfalls kein Problem, nur seinen Reisepass sollte man immer dabeihaben.

Ich kann mich kaum bremsen noch mehr über meine Zeit in Israel zu berichten. Ich kann es nur jedem empfehlen ein Praktikum oder eine Reise nach Israel zu machen. Wer mehr über die Vorbereitung oder meine Erfahrungen wissen möchte kann mich gerne anschreiben: anna.putsch@gmx.de