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Von der Hunderunde in die Vorlesung – Studieren mit Hund

Von Sarah Heynen

 

Ich studiere Tiermedizin in Hannover und bei uns ist es zumindest vor der Pandemie ein ganz alltägliches Bild gewesen: Hunde im Hörsaal, Hunde auf der Bergfestwiese, Hunde vor der Mensa. Mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob ich das zu Beginn meines Studiums überraschend fand. Wenn ich jedoch heute für mich neue Dinge tue, und zum Beispiel einen tiermedizinischen Kongress oder eine Vortragsreihe für Tiermediziner:innen vor Ort besuche, dann wird mir die allgegenwärtige Präsenz von Hunden deutlich. Aus nicht-tiermedizinischen Kontexten weiß ich, Hunde mitzubringen funktioniert nicht überall und wenn es erlaubt ist, dann heißt das noch lange nicht, dass auch ein Hund vor Ort ist. Ob es daran liegt, dass Menschen aus nicht-tiermedizinischen Bereichen seltener Hunde haben, als wir oder ob wir eine Erlaubnis Hunde bei unseren professionsinternen Veranstaltungen mitzubringen einfach selbstverständlicher in Betracht ziehen und diese mit einplanen, kann ich nur mutmaßen.

Einen Hund halten – ist das also in unserem Studium ein sorgloses Unterfangen?

Auch ich habe immer wieder mit dem Gedanken, schon im Studium einen Hund zu adoptieren, gespielt und tue dies immer noch hin und wieder.

 

Da ich Shona, den Hund meiner Eltern schon einige Male über einen längeren Zeitraum bei mir in Hannover sitten durfte, konnte ich mir auch ein eigenes Bild davon machen – Hundehalterin auf Zeit, quasi. Ich möchte also dieser Frage im Folgenden nachgehen, allen Interessierten einen Eindruck vom Studium mit Hund vermitteln und meine persönlich empfundenen Vor- und Nachteile mit euch teilen.

 

Disclaimer

Dass ihr euch bereits bewusst darüber seid, dass ein Hund grundsätzlich nicht nur spaßig und süß ist, sondern in seinem Leben viel Geld kosten kann und viel Zeit erfordert, setze ich voraus. Als Interessierte an der Veterinärmedizin kann ich euch das zutrauen. Ich möchte in diesem Aufsatz vor allem darauf eingehen, was das Halten eines Hundes während des Studiums der Veterinärmedizin (und auch ein bisschen danach als Tierärzt:in) aus meiner Sicht besonders macht. Einiges habt ihr euch möglicherweise genauso vorgestellt, manches wird euch ernüchtern oder positiv überraschen, da bin ich sicher. Wenn auch du über einen eigenen Hund nachdenkst, dann empfehle ich dir natürlich auch dringend noch ein paar weitere Halter:innen im Studium nach ihren Eindrücken zu fragen.

Also, auf geht’s!

 

Auf den Hund gekommen

In meinem engeren Freundeskreis direkt hat keine:r einen eigenen Hund, aber auch ich kenne ein paar Kommiliton:innen, die einen oder sogar mehrere Hunde haben. Teilweise sind sie in das Studium mit Hund eingestiegen, einige haben sich aber auch erst nach dem Physikum einen Hund an ihre Seite geholt. Dieses Phänomen scheint – zumindest nach Hörensagen – auch an den anderen Standorten für das Studium der Veterinärmedizin in Deutschland bekannt zu sein.

 

Ist nach dem Physikum der richtige Zeitpunkt für die Anschaffung eines Hundes?   

Dafür sprechen sich einige aus, weil sie der Meinung sind, dass

… sie dann eine besonders schwierige Prüfungsreihe geschafft haben und sich bereit für neue Herausforderungen fühlen.

… sie nun sicher bis zum Ende hier weiter studieren werden.

… sie nun lang genug hier sind und ihre Wohnsituation längerfristig abschätzen können.

… sie sich nun ein ausreichend großes Netzwerk aufbauen konnten, falls sie zum Beispiel bei der Betreuung des Hundes mal Hilfe benötigen.

 

Die Argumente überzeugen mich im Einzelfall, eine finanziell gesicherte Situation vorausgesetzt. Vor allem die Standortsicherheit erscheint mir ein sinnvolles Argument. Meiner Erfahrung nach bemühen sich die meisten Studierenden tatsächlich vor dem Physikum oder unmittelbar nach dem Physikum um einen Studienplatzwechsel. Auch brechen die meisten schon innerhalb der ersten Jahre das Studium ab und eine „unangenehme“ WG wird auch häufig schon nach kürzerer Zeit gewechselt. Ebenso sinnvoll erscheint mir die Begründung eines sichereren Netzwerkes. Die Wahrscheinlichkeit, dass man nach mindestens 2 Jahren Studium einige feste Freundschaften und Kontakte entwickeln konnte, auf die man sich verlassen kann und möchte, wächst vermutlich deutlich im Vergleich zum beginnenden Studium.

Doch ob das Physikum als DIE Hürde angesehen werden kann, nach der einen keine Prüfung mehr im Studium so sehr fordert, bezweifle ich, zumindest in seiner Allgemeingültigkeit. Ich persönlich habe die Prüfungsphasen nach dem Physikum als nicht weniger lernintensiv empfunden, wenngleich ich psychisch mit Sicherheit von Prüfung zu Prüfung entspannter geworden bin. Wenn der Hund dann aber in einer Prüfungsphase mal krank ist…


Eine kleine Anekdote:

Als Shona vergangenes Frühjahr 10 Tage bei mir zu Besuch war, befand ich mich in der finalen Lernphase für eine Klausur. Und dann hat der Hund an einem Samstag eine starke Bindehautentzündung entwickelt. So brachte ich ihn Samstagsabend in den Notdienst zu einer Praxis in Hannover. Die Augentropfen, die mir anschließend mitgegeben wurden sollten in den ersten 12 Stunden alle 2 Stunden eingebracht werden. Das bedeutete für mich: In der Nacht von Samstag auf Sonntag klingelte alle zwei Stunden der Wecker, am Sonntag fühlte ich mich wie gerädert und musste dennoch ordentlich reinpauken. Der Aufwand hat sich schließlich gelohnt, die Entzündung ging recht schnell zurück. Dennoch kann so eine schlaflose Nacht und auch die spontane Notdienstrechnung durchaus auch eine mentale Belastung darstellen, die man sich eher weniger in einer anstrengenden Prüfungsphase wünschen würde. Letztlich ist eine Bindehautentzündung da wohl noch ein kleines Übel, wenn man an seinem Tier hängt.


 

Trotzdem verstehe ich die Argumentation des bestandenen Physikums als magisches Datum für die frühste Anschaffung eines Hundes. So ist das Studium zuvor doch an vielen Stellen noch außerordentlich fordernd, allein aus dem Grund, dass es für viele eben das erste Studium in diesem Arbeitspensum ist – gerade junge oder problematische Tiere können dann eine zusätzlich psychische Herausforderung darstellen, die nicht zu unterschätzen ist.  Nach dem Physikum erscheint die Zeitspanne also verhältnismäßig passend, damit Hund und Halter:in sich aneinander gewöhnen können und genug Zeit haben, ein eingespieltes Team zu werden. Denn ein Hund bleibt ja im Optimalfall viele Jahre an meiner Seite und auf eine „entspanntere Zeit“ nach dem Physikum warten schließlich das PJ, das Staatsexamen und der Berufseinstieg. Aber dazu später mehr.

 

Hunde ausdrücklich erwünscht?

Zurück zu den Hunden auf unserem Campus, in unseren Hörsälen, auf unseren Veranstaltungen. Tatsächlich finden sich aber zumindest an der Tierärztlichen Hochschule Hannover gar nicht mal so selten Schilder, die den Zutritt zu Gebäuden für Hunde untersagen. So ist zum Beispiel verständlicherweise der Präpariersaal, die Klinik für kleine Klauentiere aber auch der ein oder andere Hörsaal für Hunde ausgenommen. Und beim Mittagessen – sitzen die Hunde vor der Mensa.

Wenn ich sicher gehen möchte, ob mein Hund in einem Gebäude erwünscht ist oder auch einfach schlichtweg erlaubt, dann sollte ich dies beim ersten Kurs, bei der ersten Vorlesung im neuen Gebäude erst einmal bei der lehrenden Person erfragen. Zum Teil haben Verbote nämlich auch handfeste seuchentechnische Gründe. In einigen Instituten werden Materialien gehandhabt, die durch Hunde in die Umwelt eingetragen werden könnten. Hier bieten sich auch Facebook-Gruppen an, in denen studierende Hundehalter:innen sich gegenseitig Tipps geben, wo Hunde mitgebracht werden dürfen und wo nicht.

Dort wo ich meinen Hund mitbringen darf, wird meiner Erfahrung nach viel Wert darauf gelegt, dass es sich um einen verträglichen Hund handelt, der die Veranstaltung nicht stört. Es kann natürlich passieren, dass ein Hund ein Geräusch macht, keine Frage, es ist ein Lebewesen! Aber wenn ein Hund in einer Vorlesung wiederholt beispielsweise laut bellt, kann ich durchaus mit einem Kommentar von Lehrenden und/oder Kommiliton:innen rechnen.

 

Ob der Hund in ein Unigebäude darf oder nicht erübrigte sich für mich dann mit Beginn der Corona-Pandemie. Seither finden meine Vorlesungen alle online statt. Die praktischen Kurse, die ich in dieser Zeit vor Ort an der Uni besuchen durfte, schlossen das Mitbringen von Shona aus, sowohl durch die Räumlichkeit (meist im Labor oder in Ställen der Klinik, in denen Hunde verboten sind) als auch durch die praktische Tätigkeit selbst, in der ich kein Auge auf den Hund hätte haben können. Um sich mehr draußen aufzuhalten, wenn „alles mal wieder“ online stattfindet, ist so ein Hund natürlich traumhaft. So laufe ich mit Shona auch gerne mal zur Uni, wenn er da ist, um Kleinigkeiten zu erledigen, wie die Validierung meines Semestertickets.


Meine Erfahrung im prä-pandemischen Unialltag:

Ein Wochentag, an dem ich Shona den ganzen Tag problemlos in jede Veranstaltung im Stundenplan hätte mitnehmen können, habe ich nicht erlebt! Dementsprechend musste ich ihn zum Teil in der WG lassen oder zwischendurch wieder dorthin bringen, wenn ich die betreffenden Veranstaltungen wahrnehmen wollte oder sogar musste. Da ich nicht besonders weit weg von der Uni (ca. 15 Minuten) wohne, war dies jedoch kein Problem, auch weil Shona sicher allein zuhause bleiben kann.


Wenn ich mich mit Freund:innen aus nicht-tiermedizinischen Studiengängen unterhalte, stelle ich fest, dass die Bedingungen für Hunde an unserer Uni alles andere als gängig sind für eine Universität. Damit erscheint das Studium der Veterinärmedizin tatsächlich besonders Hundehalter:innen-freundlich und auch unter den Kommiliton:innen finden sich meiner Erfahrung nach selten Menschen, die sich nicht über den Besuch mit dem Hund freuen und bereit sind, diesen in die gemeinsame Freizeit zu integrieren. Das mag trivial klingen, stellt aber letztlich einen großartigen Vorteil des Umfelds im Studium dar, wenn es denn aus Tiermedizinstudierenden besteht.

 

Praktisches Jahr und Berufseinstieg

Wenn ich früher am Campus Studis mit Hunden gesehen habe, stellte ich mir die Frage: „Wie machen die das denn dann mit dem Hund im PJ? Und dann im Beruf? Zu den Eltern geben, oder wie?“ An dieser Stelle stoße ich mit meinen Erfahrungen schließlich an sehr klare Grenzen, denn ich werde keinen eigenen Hund haben, zumindest, wenn ich ins PJ gehe. Ich kann mir vorstellen, dass beim ein oder anderen Pflichtpraktikum des PJs durchaus Unterstützung in der Unterbringung und Versorgung des Hundes durch Eltern oder Freunde nötig sein könnte. Das Praktische Jahr gestaltet sich in meinen Augen an verschiedenen Stellen als Herausforderung für Hundehalter:innen. So sind wir Tiermedizinstudierende durch die verschiedenen Anteile an Pflichtpraktika, die in der TAppV festgelegt sind, nicht selten dazu gezwungen für ein Praktikum eine vom Wohnort mehr oder weniger weit entfernte Stelle anzunehmen. Gerade Schlachthöfe und Veterinärämter, die PJler:innen betreuen, gibt es nicht wie Sand am Meer. Ob die Studierenden dann in der Praktikumszeit teils einige Stunden pendeln oder sich vor Ort eine Bleibe suchen: für den Hund zu sorgen kann in dieser Zeit schwierig sein.

Interessant ist jedoch auch, dass einige Praktikumsstellen bereits „Hundezimmer“ vorhalten, in denen die zur Arbeit mitgebrachten verträglichen (!) Hunde der Mitarbeitenden und zumeist auch der Studierenden im Betrieb untergebracht werden können. Dadurch fällt die Betreuung und „Runde in der Mittagspause“ natürlich um einiges leichter. Solche Angebote können gut bei der Wahl der Praktikumsstellen miteinbezogen werden und wenn nicht durch Recherche ersichtlich, erfragt werden. Dasselbe gilt natürlich auch bei der Wahl von Arbeitgeber:innen im späteren Berufseinstieg.

 

Mein Fazit: Studium UND Hund – ja oder nein?

Ich bin der Meinung, dass einen Hund zu halten und Veterinärmedizin zu studieren sich alles andere als widersprechen. Abwägen, ob es unter den eigenen Voraussetzungen gut gelingen kann, muss natürlich jede Person für sich. Wenn einige Grundlagen stimmen – finanzielle Sicherheit, ein unterstützendes Umfeld, gemäßigtes Stresslevel, ein verträglicher Hund – dann kann ein Hund in deinem Leben eine große Bereicherung sein. Ich habe das mit Shona stets so empfunden, wenn er bei mir zu Besuch war, doch der ist auch ziemlich unkompliziert.

Damit meine ich nicht, dass nicht einige Personen durchaus in der Lage sind, einen komplizierteren Hund im Studium zu händeln. Es ist eben immer eine Frage der Zeit und Motivation, die Menschen für das Tier aufbringen können und möchten.

Meine persönlichen Argumente stehen aktuell gegen die Anschaffung eines Hundes. Dazu tragen vor allem meine hohe Auslastung mit Hobby, Ehrenamt und Nebenjob und auch meine aktuelle Wohnsituation mit zwei Katzen meiner Mitbewohnerin, die ich sehr gerne habe, bei. Ich vermisse die Nähe zu Hunden häufig, bin mir aber sicher, dass ich in Zukunft einen Hund haben möchte, nur ist diese Zeit noch nicht gekommen. Eine Alternative stellt für mich weiterhin der Besuch von Shona dar. Und auch sonst böte sich durch Hundesitting-Jobs, die in unserem Uni-Mailverteiler häufig zu finden sind, die Möglichkeit, mit Hunden regelmäßig Zeit zu verbringen, falls du so eine Teilzeit-Geschichte auch ganz attraktiv fändest. 😉


Ich hoffe, meine Ausführungen konnten dir einige Fragen beantworten und waren hilfreich für dich. Wenn du weiterführende Fragen hast, vor oder im Studium der Veterinärmedizin stehst und keine:n Veterinärmedizinstudierende:n mit Hund kennst, melde dich gerne bei mir. Ich werde dich dann gerne an eine mir bekannte Person weitervermitteln.