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Beruf und Familie – zwei unvereinbare Welten?

Das Thema wird wohl nie alt – wie vereint man seinen Beruf und eine Familie am besten?

Vor allem in der Tiermedizin, einem Beruf, der Not- und Wochenenddienst erfordert und überwiegend von Frauen ausgeführt wird, ist diese Frage unumgänglich. Frauen sind nunmal die Personen, die ein Kind austragen und deshalb immer für eine Weile ausfallen müssen. Glücklicherweise verändert sich die ganze Situation zurzeit und auch Männer gehen immer öfter in Elternzeit. Das führt schonmal zu mehr Gleichberechtigung und Normalität dieses Themas.

Wie ist das in der Tiermedizin, unterscheiden sich die Ansätze je nach Berufsfeld? Ist es abhängig von der zu behandelnden Spezies, wie einfach es ist Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen? Wahrscheinlich wissen viele von euch schon, wie das in der Kleintierpraxis aussieht, aber was ist mit den Großtieren? Mit allen Nacht-/Wochenenddiensten?

Ich habe Interviews mit 3 Tierärztinnen geführt, alle praktizierend, in verschiedenen Bereichen.
Eva Ehrnböck ist Rindertierärztin, Felicia Wehrenpfenning Pferdetierärztin und Anna Siemers Schweinetierärztin, wo sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

 

Eva Ehrnböck (@kuh_doktor auf Instagram) ist Rindertierärztin, sie arbeitet in Teilzeit, vor allem vormittags und einen Tag in der Woche den ganzen Tag, inklusive Nachtdienst.

An einem normalen Arbeitstag wird ihr Sohn zuerst in den Kindergarten gefahren, danach mit dem Arbeitgeber telefoniert und eine Route für den Tag erstellt. Je nachdem wie schnell sie ist, kann sie ihren Sohn vom Kindergarten für die Mittagspause auch wieder abholen, sonst erledigt das ihr Mann. Am Mittwoch werden nachmittags dann alle übrigen Termine noch abgearbeitet und dann folgt noch der Nachtdienst (aber in ca 98% der Fälle muss sie da nicht rausfahren).

Eva hat relativ früh erfahren, dass sie schwanger ist, und durfte dann nicht mehr arbeiten. Nach der Geburt blieb sie noch 1 Jahr zu Hause – danach wollte sie aber gern wieder anfangen.

Als Eva von der Schwangerschaft erfuhr, hatte sie wegen eines Umzuges 2 Arbeitsstellen in Teilzeit. In der einen Praxis, in der sie schon länger arbeitete, waren alle schon mehr oder weniger darauf vorbereitet und die Schwangerschaft wurde akzeptiert und die Elternzeit abgesprochen. Dabei war es auch klar, dass sie dort wegen des Umzuges nicht wieder zurückkommen würde. Bei der zweiten Arbeitsstelle lief das Ganze nicht so reibungslos. Die Praxisleitung hat es Eva übelgenommen, es wurde nur noch das Nötigste kommuniziert und nach der Geburt im Beschäftigungsverbot gekündigt.

Die Haushaltstätigkeiten haben sich Eva und ihr Mann gut aufgeteilt, jeder hat seine Aufgaben und beide sind zufrieden damit.

Auf Hilfe von außen ist man jedoch sehr stark angewiesen, falls das Kind wegen Krankheit schon früher aus dem Kindergarten geholt werden muss und man selbst gerade nicht losflitzen kann. Aber auch so schafft Eva es, wie das bei Tierärzt:innen nun mal so ist, nicht immer pünktlich ihren Sohn vom Kindergarten abzuholen, da müssen dann öfter auch ihr Mann oder Freunde einspringen. Im Bereitschaftsdienst sind die Arbeitszeiten nicht immer gut planbar, aber an allen anderen Tagen schafft Eva es immer ganz gut diese einzuhalten. Für die Familie ist es zwar nicht angenehm, wenn man im Bereitschaftsdienst dann doch nicht pünktlich nach Hause kommen kann – aber damit muss wohl jede:r Partner:in einer Tierärzt:in klarkommen.

Schon während der Elternzeit hat Eva ab und an mal in Kuhställen vorbeigeschaut oder bei einer OP assistiert. Deshalb fiel ihr der Einstieg nach der Elternzeit auch nicht schwer, obwohl es manchmal auch emotional nicht ganz einfach war, wenn das Kind anfing in den Kindergarten zu gehen und noch weinte, wenn die Mama gehen muss. Den Alltag mit dem Partner gut zu stemmen, die neue Situation mit Kind, sich mit dem Partner immer noch gut zu verstehen und gut miteinander zu kommunizieren, ist die größte Herausforderung, meint Eva. Alles zu vereinen, eine gute Partnerschaft und Familie zu pflegen und ein:e gute:r Arbeitnehmer:in sein.

Evas Schlusswort: das Allerwichtigste ist, dass junge Tierärztinnen keine Angst haben müssen eine Familie gründen zu wollen. Die emotionale Belastung, wie das Ganze laufen soll, mit der Arbeit, mit dem Arbeitgebenden, auch wenn das Kind krank ist, sollte nicht so groß sein.

 

Felicia Wehrenpfennig (Instagram: @pferdepraxis_wehrenpfennig) ist selbständige Pferdetierärztin, spezialisiert auf Orthopädie und Auktionsbetreuung. Einen „normalen“ Tag gibt es nicht, deshalb hat sie sich selbstständig gemacht, um sich die Zeit frei einteilen zu können.

Aber prinzipiell beginnt ein Tag bei ihr um 9 Uhr, da fährt sie erstmal zum Hannoveranerverband und schaut sich die Pferde vor Ort an. Danach fängt sie an die Termine der Fahrpraxis abzuarbeiten.

Felicia war vor der Selbstständigkeit angestellte Tierärztin, als ihr Arbeitgeber damals von der Schwangerschaft erfuhr, hat er sie persönlich beleidigt. Sie haben aber vereinbart, dass sie erstmal auf eigene Verantwortung bis zur 12. Woche weiterarbeitet und die Schwangerschaft noch inoffiziell bleibt, falls es doch nicht hält.

Tatsächlich ist auch Felicia in der Schwangerschaft umgezogen, da ihr Mann anfing in der Tierklinik Posthausen zu arbeiten. Ihr Plan war, sich in der Elternzeit selbstständig zu machen, was sie auch getan hat. Momentan ist sie immer noch in Elternzeit und nebenberuflich selbständig, da die Klinik, in der sie noch angestellt ist, ihren Fachtierarztposten für den Klinikstatus benötigt. Im ersten Jahr der Elternzeit dachte sie viel über die Selbstständigkeit nach, durch Corona wurde der Start zusätzlich erschwert. Bei Felicia im Landkreis gibt es sogar ein Förderprogramm für Mütter, die sich selbstständig machen wollen, bei dem sie mitgemacht hat.

Durch die Selbstständigkeit und ihr Kind fällt es Felicia viel leichter ihre Arbeitsstunden einzuhalten und kaum Überstunden zu machen. Früher fiel es schwer Grenzen zu ziehen.  Die Not- und Wochenenddienste fallen für Felicia weg, weil ihr Mann (der ja auch Tierarzt ist) derartige Dienste schon übernehmen muss. Das war auch ein Grund für sie, sich selbstständig zu machen, in einem spezialisierten Bereich.

Die anfallenden Hausarbeiten versuchen sie gleichmäßig aufzuteilen, nachdem es durch ihre Elternzeit zu Hause schon sehr einseitig war. Aber die Organisation und Care-Arbeit übernimmt Felicia vollständig. Was die Hilfe außerhalb des Kindergartens angeht, ist auch Felicia auf Hilfe angewiesen. Ein Babysitter muss ungefähr 1x pro Woche nachmittags einspringen. Die größte Herausforderung im Alltag ist die Planung, wer sich um was kümmert und sich dabei als Familie nicht aus den Augen zu verlieren. Es gibt keinen Ganztagskindergarten, somit ist eine 45 Stunden-Betreuung nicht möglich, aber da stellt sich auch die Frage, ob man das überhaupt möchte! Felicia könnte sich das jedenfalls nicht vorstellen.

Was könnte sich noch ändern, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern? Felicia gibt dazu einen guten Denkanstoß: In der Gesellschaft sollte die Familie mehr Teil des Arbeitslebens werden, wobei das durch Corona und Homeoffice schon selbstverständlicher geworden ist. Denn Kinder sind nicht das „Problem“ von Frauen, sondern aller! Felicia hat am Anfang ihrer Selbstständigkeit immer den Kindersitz aus dem Auto genommen, weil sie dachte das sei unprofessionell, bis sie merkte, dass die beiden Sachen überhaupt nicht miteinander zusammenhängen.

 

Dr. Anna Siemers ist Schweinetierärztin, hat 3 Kinder und ist momentan in Elternzeit.

Einen „normalen“ Arbeitstag gibt es bei ihr auch nicht. Früher ist sie noch die langen Runden gefahren, von 12-15 Stunden, da die Betriebe auch etwas weiter weg liegen und der Anfahrtsweg schon viel Zeit in Anspruch nimmt. Das ist durch das neue Arbeitszeitgesetz jedoch nicht mehr erlaubt. Da sie damals an einem Tag so viele Stunden abgearbeitet hat, musste sie nur für diesen Tag die Unterbringung der Kinder organisieren und nicht für 2 Tage. Außerdem ist Anna auch für die Bertriebe bei ihr vor Ort zuständig, falls man sie braucht. Dafür ist ein gutes Netzwerk entscheidend. Anna hat das Glück, dass ihre Mutter und Schwiegermutter sehr nah bei ihr wohnen und die Kinder meist flexibel übernehmen können, ansonsten springt ihr Mann ein.

„Überstunden hat man immer“, sagt Anna. Auch im Beschäftigungsverbot kam sie öfter mal auf 30 Stunden pro Woche, die werden natürlich alle entlohnt. Not- und Wochenenddienste gibt es bei Anna in der Praxis nicht so oft, weil sie ein größeres Team sind. Um Bereitschaftsdienst gibt es nachts fast nie Anrufe, höchstens Samstag vormittags, wobei der Anteil der Akutpraxis in der Schweinepraxis sowieso gering ist.

Anna ist momentan wegen des Stillens im Beschäftigungsverbot. Das Beschäftigungsverbot gilt prozentual, der Arbeitgebende muss eine andere Arbeitsmöglichkeit für den Arbeitnehmenden schaffen. Anna übernimmt zum Beispiel Bürotätigkeit und Bestandsberatung im Stall, da sie dort nicht am Tier arbeiten muss. Wie der Wiedereinstieg in die Praxis läuft, kommt natürlich ganz darauf an, wie man während seiner Abwesenheit in Kontakt geblieben ist. Es ändert sich doch so einiges, während man weg ist.

In Annas Praxis ist jede:r Tierärzt:in Hauptansprechpartner:in für einige Kunden. Durch die Schwangerschaft und das Beschäftigungsverbot, muss man seine Kunden natürlich an eine:n Kolleg:in abgeben. Dadurch bekommt man beim Wiedereinstieg nicht unbedingt die Aufgabenbereiche, die man sich wünscht, vor allem, wenn schon klar ist, dass man bald das 2. Kind bekommt und dann wieder ins Beschäftigungsverbot muss.

Der Umgang mit der Schwangerschaft, war in der Praxis bei Anna herzlich, alle Kollegen haben sich mit ihr gefreut, obwohl der Organisationsaufwand nicht gering war. Die Arbeitgebenden wissen meist schon bei der Einstellung, dass Kinderwunsch vorhanden ist. Es ist keine Ausrede Frauen nicht einzustellen, weil sie schwanger werden können, da Männer auch immer öfter Elternzeit nehmen und auch eine Krankheit zu einem längeren Arbeitsausfall führen kann.

Den Haushalt schmeißt Anna jetzt im Beschäftigungsverbot größtenteils allein, wobei auch schon im Raum steht eine Haushälterin zu organisieren, wenn sie wieder anfängt mehr zu arbeiten. Die größte Herausforderung im Alltag ist es alles unter einen Hut zu bringen, seinem eigenen Anspruch im Beruf gerecht zu werden, den Haushalt zu machen und Zeit mit den Kindern zu verbringen.

Anna hat, wie schon erwähnt, ein gutes Umfeld, in dem die Kinderbetreuung so gut wie immer übernommen werden kann, wenn sie schnell zu einem Kunden muss. Außerdem wird in ihrer Praxis auch immer mehr Homeoffice ermöglicht, um die Eingaben nach den täglichen Touren auch zu Hause erledigen zu können. Ansonsten ist auch ein Betriebskindergarten in der Praxis eine Idee, die es Eltern ohne gutes Umfeld ermöglicht zu arbeiten.

 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein stabiles Umfeld, welches bei der Kinderbetreuung unterstützen kann, auf jeden Fall hilfreich ist. In unserer Generation ist es schon normal, dass Männer in die Kindererziehung miteinbezogen werden und auch Elternzeit nehmen. Außerdem ist es wichtig immer offen mit dem Arbeitgebenden darüber sprechen, sodass das organisatorisch einfacher wird. Der Arbeitgebende sollte Verständnis zeigen und mit dem Arbeitnehmenden nach Lösungen suchen.

Eine Familie ist mit dem Beruf durchaus vereinbar, mit ein wenig Unterstützung und Willenskraft!

 

 Vielen Dank an Eva, Felicia und Anna für die Offenheit und Bereitschaft die Fragen zu beantworten.

A.M.