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Suizidgefährdung von Tierärzt:innen in Deutschland

Professor Mahtab Bahramsoltani hat gemeinsam mit der Tierärztin Kathrin Schwerdtfeger und Professor Heide Glaesmer die Suizidgefährdung von Tierärztinnen und Tierärzten in Deutschland untersucht. Wir haben sie interviewt und uns über die Ergebnisse der Studie unterhalten.

 

 

Was war eigentlich der Anlass, jetzt in Deutschland so eine Studie zu machen? Wie kam es dazu?

2015 erschien im VETimpulse ein Artikel, indem davon die Rede war, dass Tierärzte und Tierärztinnen stärker suizidgefährdet sind. Damals war ich noch in Leipzig und da kam eine Studentin auf mich zu, die mich auch aus dem Prüfungsangstprojekt kannte und sagte, in diesem Artikel steht, in Deutschland gäbe es dazu überhaupt keine Zahlen, das kann ja gar nicht sein. Gibt es denn da die Möglichkeit, Daten zu erheben und ob ich Kontakte hätte oder jemanden kennen würde, mit dem man das machen könnte? Und ich habe damals in meinem Netzwerk gefragt und bin so mit Heide Glaesmer, Psychologin und Professorin an der Universitätsklinik Leipzig, in Verbindung gebracht worden. Da sie einen Forschungsschwerpunkt im Bereich Suizidalität hat, war sie ganz interessiert und meinte, wir machen das, dass wir hier zusammen in Deutschland Daten erheben. Und so kam es zu dem Projekt, im Rahmen dessen Kathrin Schwerdtfeger ihre Doktorarbeit macht. Als erstes haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, welche Fragen, welche fertigen Fragebögen aus der Sozialforschung wir einsetzen und natürlich, was uns als Tiermediziner:innen interessiert, welche berufsbezogenen, welche persönliche Fragen usw., wir noch stellen wollen, um zu gucken, wo es Zusammenhänge gibt.

 

2016 ist ja dann der Artikel im Tierärzteblatt erschienen, wo wurde zur Teilnahme an der Umfrage aufgerufen, wie viele haben dann an der Umfrage teilgenommen?

Ja, das war einer unserer vielen Kanälen, die wir genutzt haben. Kathrin hat sich da sehr viel Mühe gemacht, Menschen zu aktivieren, einerseits über Facebook-Gruppen, dann haben wir gedacht, wen wir da nicht erwischen, bekommen wir vielleicht übers Deutsche Tierärzteblatt. Dann haben wir Flyer gemacht, die wir dann in die Kongresstaschen packen durften, unter anderem beim DVG Kongress und so haben wir eben über 3000 Tierärzt:innen erreicht, die mitgemacht haben, was echt eine sehr hohe Quote für solch eine Umfragen ist.

 

In anderen Ländern ist ja schon bestätigt, dass die Suizidrate und auch das Risiko für Depressionen bei Tierärzt:innen deutlich erhöht sind. Die Organisation NOMV spricht von einem 5-mal höherem Suizidrisiko für Tierärt:innen. Wie ist es denn in Deutschland? Also was ist rausgekommen?

Also eine Sache, die muss ich gleich vorab sagen, wir können in Deutschland nicht die Suizidrate ermitteln. Warum nicht? Weil in Deutschland tatsächlich nicht der Beruf mit abgespeichert wird bei den Todesarten, das heißt, wir haben dafür eine andere Skala, eine psychologische Skala, wie wir das Suizidrisiko ermitteln, verwendet. Dabei ist es dann nicht unwahrscheinlich, dass das ermittelte Suizidrisiko höher liegt als die echte Suizidrate. Wenn jemand darüber nachdenkt oder häufiger darüber nachdenkt, sich umzubringen, heißt das ja nicht, dass er oder sie es dann am Ende tut.

Zunächst erstmal etwas zur Depressivität, die kann man natürlich messen und da haben wir einen Fragebogen benutzt, der besteht aus neun Fragen. Diese Fragen beziehen sich darauf, wie oft man sich in den letzten zwei Wochen folgendermaßen gefühlt hat: wenig Interesse, wenig Freude an Tätigkeit, niedergeschlagen, also typische Symptome von Depressionen. Man kann dann auf einer Skala zwischen „überhaupt nicht“ oder „beinahe jeden Tag“ ankreuzen. Anschließend wird dann ein Cut-off-Wert gebildet. Der entsteht folgendermaßen, man bekommt für jede Antwort zwischen 0 und 4 Punkte, je nachdem was man angekreuzt hat und diese werden dann addiert. Ab einem bestimmten Wert, in unserem Fall über 10, spricht man von Depressionen.

Die Ergebnisse unserer Tierärztinnen und Tierärzte haben wir mit zwei Stichproben aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. Bei den Männern haben wir bei den Tierärzten 20,2% gehabt, die eine Wert von über 10 hatten, in der Allgemeinbevölkerung liegt dieser nur bei 3,9%. Bei den Frauen sind es sogar 29,7 %gewesen, in der Allgemeinbevölkerung im Vergleich dazu lag der Wert nur bei 4%. Mit statistischen Berechnungen wurde für Alter und Geschlecht kontrolliert, woraus sich ergab, dass das Risiko an Depressionen zu erkranken bei Tierärzt:innen gegenüber der Allgemeinbevölkerung dreimal höher.

Dann haben wir noch ein Item untersucht und zwar Gedanken, dass sie lieber tot wären oder sich Leid zufügen möchten, also sogenannte Suizidgedanken und das haben wir nochmal extra ausgewertet. Dabei sind wir auf folgende Ergebnisse gekommen, 19,2% der Tierärzte und 19,8% der befragten Tierärztinnen hatten in den letzten zwei Wochen Suizidgedanken. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung kommen wir hier auf eine zweimal höhere Wahrscheinlichkeit, innerhalb der letzten zwei Wochen Suizidgedanken gehabt zu haben.

Das Suizidrisiko haben wir mit einem weiteren Fragebogen untersucht, der bestand aus den folgenden vier Fragen: Haben Sie je darüber nachgedacht oder versucht sich das Leben zu nehmen? Wie häufig haben Sie in den letzten zwölf Monaten daran gedacht, sich selbst zu töten? Haben Sie jemals irgendjemandem davon erzählt, dass Sie sich töten werden oder dass Sie sich eventuell das Leben nehmen möchten? Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie sich eines Tages das Leben nehmen werden? Man konnte dann auch wieder auf einer Skala zwischen Niemals und hab es versucht, wollte sterben ankreuzen. Dafür gab es dann entsprechend wieder Punkte, die addiert wurden. Hier lag der Cut-off-Wert bei 7, das heißt, dass man auf jeden Fall bei mehreren, mindestens dreien mehr als niemals angekreuzt hat. Ab sieben spricht man von einem erhöhten Suizidrisiko. Die Ergebnisse für die Tierärzte und Tierärztinnen sahen folgendermaßen aus, einen Wert von mehr als sieben hatten bei den Tierärzten 30,9%, bei den Frauen 32,4%. Im Vergleich dazu, in den Stichproben aus der Allgemeinbevölkerung lagen die Werte bei 5,6% bzw. bei 7,3%. Hier ergab sich unter Kontrolle von Alter und Geschlecht eine sechs bis sieben Mal höhere Wahrscheinlichkeit für ein erhöhtes Suizidrisiko. Davon ausgehend, dass das Suizidrisiko ja höher liegt als die Suizidrate, dann können wir sagen, dass wir ungefähr bei den gleichen Werten liegen wie bei den Studien aus anderen Ländern, also vier bis fünfmal höhere Suizidrate unter den Tierärzt:innen.

 

Die Ergebnisse bestätigen das, was andere internationale Studien schon gezeigt haben. Kann man denn auch sagen, welche Faktoren dazu führen, dass Tierärzt:innen ein höheres Risiko für Suizid und Depressionen haben?

Ja auch das haben wir untersucht. Neben den Fragen zu psychologischen Faktoren haben wir erstmal einige demografische Faktoren wie Alter und Geschlecht abgefragt, das Bundesland für die Orientierung, dann eine Rubrik wie die Leute arbeiten, also beispielsweise selbstständig, angestellt oder arbeitssuchend. Dann haben wir noch gefragt, in welcher Sparte sie in der Tiermedizin tätig sind, haben bei praktizierenden Tierärzt:innen nochmal in weitere Rubriken unterteilt wie Kleintier, Pferd, Nutztier und Gemischtpraxis, dann Lebensmittelhygiene und Schlachthof, Industrie, Forschung und Öffentliches Veterinärwesen. Wir haben es sehr kleinteilig gemacht, damit potenzielle Einflüsse aus diesen Bereichen deutlich werden könnten. Dann haben wir noch bei denen, die in der Klinik oder Praxis angekreuzt haben, gefragt, ob sie Eigentümer:in oder Teilhaber:in sind oder Angestellte.

Außerdem haben wir einen Fragebogen eingesetzt zum Persönlichkeitstyp, der heißt Big Five, weil Tierärztinnen und Tierärzten, wie auch bei allen anderen in helfenden Berufen, oft nachgesagt wird, dass eine erhöhte Depressivität mit ihren Persönlichkeitsmerkmalen zusammenhänge. Dieser Big Five Fragebogen bezieht sich auf fünf Eigenschaften, das sind Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen, Extraversion[1], Verträglichkeit, Neurotizismus [2]und Gewissenhaftigkeit. Die Ergebnisse unserer befragten Tierärzt:innen haben wir mit denen der Allgemeinbevölkerung verglichen. Ergebnis ist, dass Tierärzt:innen sich wenig von der Allgemeinbevölkerung unterscheiden. Sie haben ein bisschen höhere Werte bei Neurotizismus. Die anderen Merkmale unterscheiden sich nur minimal. Wir haben das noch nicht statistisch ausgewertet, auch weil wir das noch mit dem Fragebogen der Studierenden vergleichen wollen, aber da Persönlichkeitsmerkmale als stabile Eigenschaften gelten, gehen wir davon aus, dass diese sich nicht erst im Beruf entwickelt haben. Für mich ist es deshalb ein wichtiges Ergebnis, dass Persönlichkeitseigenschaften kein Grund für die erhöhte Depressivität bei Tierärzt:innen sind.

Dann haben wir noch weitere Fragebögen zu berufsbezogenen Faktoren eingesetzt. Der erste, den wir genutzt haben nennt sich Effort-Reward-Imbalance, da geht es darum, inwiefern denn das, was ich an Mühe und Anstrengung einbringe im Gleichgewicht steht mit dem, was ich an Wertschätzung und Anerkennung zurückbekomme, sowohl in Form von Geld, aber auch als persönliche Wertschätzung. Die Tierärzt:innen liegen, was den Bereich Effort angeht, etwas höher als bei einer Vergleichsstichprobe aus der Allgemeinbevölkerung. Im Bereich Anerkennung haben wir zum Beispiel solche Fragen gehabt wie: Wenn ich an all die erbrachten Leistungen und Anstrengungen denke, halte ich die erfahrene Anerkennung für angemessen oder wenn ich an all die erbrachten Leistungen denke, halte ich mein Gehalt für angemessen. Hier sieht man in den Ergebnissen sehr deutlich, dass sowohl Tierärztinnen als auch Tierärzte unterhalb der Allgemeinbevölkerung liegen, die Frauen dabei nochmal mehr als die Männer. Man kann mit einer kleinen Formel ausrechnen, wie jetzt die Balance zwischen beiden Bereichen ist. Bei einem Wert von 1 ist es ausgeglichen, das trifft bei der Allgemeinbevölkerung in etwa zu. Bei den Tierärzt:innen liegt er über 1, das heißt Effort überwiegt Reward, bei den Frauen ist das nochmal stärker als bei den Männern. Das zeigt, dass hier definitiv eine Imbalance ist, also das, was an Mühe und Anstrengung in den Beruf eingebracht wird, leider in keinem Verhältnis zu dem steht, was an Anerkennung zurückkommt.

Es gibt dann noch eine dritte Rubrik und die ist ganz spannend, das sogenannte Overcommitment, darunter versteht man eine übermäßige Verausgabungsbereitschaft. Hier haben wir zum Beispiel Fragen gehabt wie: Es passiert mir oft, dass ich schon beim Aufwachen an Arbeitsprobleme denke oder wenn ich nach Hause komme, fällt mir das Abschalten von der Arbeit sehr leicht. Ich glaube, jeder, der auch Tiermedizin studiert oder Tierärztin oder Tierarzt ist, weiß, wie das Aussehen wird. Hier sind die Werte sowohl bei den Tierärzten als auch bei den Tierärztinnen deutlich höher als bei der Allgemeinbevölkerung, die Frauen nochmal etwas stärker.

Wir haben in einer Regressionsanalyse die Faktoren der verschiedenen Fragebögen mit dem Auftreten von Depressivität, Suizidgedanken und Suizidrisiko abgeglichen, also inwieweit die korrelieren. Wir haben festgestellt, dass es einen signifikanten Zusammenhang gibt zwischen der Anzahl der Arbeitsstunden und dem Ausmaß an Depressivität und Suizidalität, also je mehr Stunden, desto höher das Risiko für Depressivität und Suizidalität. Genau umgekehrt ist es mit dem Einkommen, je geringer das Einkommen, desto höher Depressivität, Suizidgedanken und Suizidrisiko. Das gilt auch für die Anerkennung im Beruf, je geringer die Belohnung und Anerkennung ist desto höher das Risiko für Depressionen und Suizidgedanken. Bei den arbeitsbezogenen Faktoren haben wir festgestellt, dass vor allem die Notwendigkeit, Emotionen zu verbergen, stark korreliert, genauso wie häufige Gedanken an eine Berufsaufgabe und vor allem erhöhte Werte auf der Burnout-Skala.

Man kann insgesamt sagen, am stärksten waren die folgenden drei: geringe Belohnung und Anerkennung, überhöhte Verausgabungsbereitschaft und erhöhte Werte für Burnout.

 

Welche Maßnahmen könnten jetzt ergriffen werden, um das Suizidrisiko oder auch das Risiko für Depressionen zu verringern. Was muss getan werden und wird jetzt auch getan, um die Situation zu verbessern, damit die Ergebnisse in ein paar Jahren nicht mehr so aussehen wie heute?

Wir sagen ja nicht A ohne B zu sagen. Über Heide Glaesmer sind wir mit einer weiteren Psychologin in Kontakt gekommen. Sie arbeitet hier in Berlin an der Medical School Berlin und ist spezialisiert auf die Entwicklung von Suizidpräventionsprogrammen. Und wir haben uns zusammengetan, haben ein Konzept erstellt für ein E-Learning-basiertes Präventionsprogramm, das wir Vetprevent genannt haben. Los gehen soll es mit, wie erkenne ich eine Depression? Wie suche ich Hilfe, welche Möglichkeiten gibt es? Dann wollen wir auf spezifische tierärztliche Herausforderungen eingehen, wie die Interaktion mit Tierhalter:innen, z.B. das Überbringen schlechter Nachrichten, Umgang mit Euthanasie. Was für Tierärzt:innen auch ein großes Problem ist, ist das Thema, das sie selbst das Geld in Empfang nehmen müssen. Das müssen Humanmediziner:innen nicht. Das heißt, man ist immer in diesem ethischen Konflikt mit sich selbst. Auf der einen Seite sehen einen Tierhalter:innen sehr schnell als Halsabschneider, aber man muss ja auch Geld nehmen, sonst kann man nicht leben. Genauso sollen auch andere tierärztlich spezifische Herausforderungen adressiert werden, z.B. in der Interaktion mit zu überwachenden Betrieben, also Kommunikation mit leitenden Mitarbeitenden in Betrieben, Mitteilung von Auflagen und Sanktionen sowie Umgang mit Anfeindungen und verbalen Attacken. Und auch Herausforderungen in der Interaktion mit Vorgesetzten oder Mitarbeitenden und im Team, Strategien zur positiven Selbstdarstellung, Strategien zur Intervision[3]und zur Etablierung von Fehlerkultur, konstruktives Konfliktmanagement. Auch berücksichtigt werden die wichtigen Aspekte Förderung der Selbstfürsorge und Work-Life-Balance. Da geht es um Symptome des Burnouts, Grenzen der persönlichen Belastung erkennen, wie man mit Zeitdruck umgeht und wie man seine persönlichen Ressourcen stärkt.

Das sind so die Inhalte, die wir jetzt in diesem E-Learning umsetzen wollen. Dafür braucht man jetzt in erster Linie Geld und Partner, die das mit einem umsetzen.

 

Die Lehre an den Universitäten ist ja auch schon sehr anstrengend, den Studierenden wird wenig Wertschätzung entgegengebracht, sind Tierärzt:innen eventuell durch diese hohe psychische Belastung im Studium anfälliger für Depressionen und haben ein höheres Suizidrisiko? Was muss sich in der Lehre ändern, damit Studierende später im Beruf besser mit psychischem Druck umgehen können und erkennen, wenn sie Burnout oder Depressionen haben?

Wir haben nachfolgend zu der Studie mit den Tierärzt:innen auch die Studierenden befragt, dazu erscheint bald der erste Artikel. Wir haben hier praktisch dieselben Fragen gestellt, zu Depressivität, Suizidgedanken und Suizidrisiken. Bei den Studierenden haben wir eine noch höhere Antwortrate gehabt, nämlich 903 Studierende aus Deutschland, das sind etwa 14,3%. Auch hier haben wir festgestellt, dass das Risiko für Depressionen deutlich höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Ähnlich hoch wie bei den Tierärztinnen und Tierärzten ist auch der Wert für Suizidgedanken und Suizidrisiko. Da wir noch am Anfang der Studie sind, kann ich hier noch nicht mehr sagen, weil wir hier weiter die Daten auswerten müssen. Allerdings vermute ich, dass wir ähnliches sehen werden wie bei den Tierärztinnen und Tierärzten. So viel zum Wissenschaftlichen.

Alles weitere kann ich jetzt nur spekulativ antworten. Während in der Humanmedizin tatsächlich extrem viel Wert darauf gelegt wird, das Selbstbild zu stärken, stolz darauf zu sein, dass man jetzt Arzt oder Ärztin wird und welche besondere Rolle man spielt, kommt das bei uns in der Tiermedizin meiner Ansicht nach zu kurz. Jeder wird sicherlich Erfahrungen haben, was man an Minderwertschätzung erlebt, aber selbst, wenn man das nicht erlebt, bekommt man keine besondere Wertschätzung. Das führt dazu, dass viele ein „Ich bin ja nur ein Tierarzt oder eine Tierärztin“-Gefühl entwickeln. Das ist sehr schade, weil wir einen super Beruf haben und eigentlich viel größere Allrounder sind. Also wir können stolz auf das sein, was wir in diesem Studium lernen und womit wir in die Welt hinausgehen. Ich finde, es ist wichtig dieses Gefühl zu stärken, da haben wir bei den Studierenden noch viel Luft nach oben.

Natürlich ist es auch wichtig, dass man sich selbst feiert und auch untereinander feiert. Bei 180 sehr leistungsstarken Studierenden geht das manchmal unter und dann schaut man nicht mehr auf seine Erfolge, sondern nur noch auf seine Misserfolge mit den dazugehörigen negativen Gefühlen.

Um an der Lehre etwas zu ändern, brauchen wir natürlich Zahlen und Fakten. Wenn wir die nach der Auswertung wirklich schwarz auf weiß haben, dann finde ich es tatsächlich spannend, mit Studierenden und Lehrenden zusammenzukommen und sich Gedanken zu machen: Was können wir ändern? Ein Aspekt wird sicher sein, das ist hier meine persönliche Meinung, dass unsere Art zu prüfen auch ein großes Stück dazu beiträgt. Wir haben ja diese Prüfungsangststudie gemacht, bei der sich gezeigt hat, dass die Tiermedizinstudierenden sehr an Prüfungsangst leiden. Man hat in der Studie gesehen, dass das Ausmaß der Prüfungsängstlichkeit bis zum Physikum ansteigt, dann etwas absinkt und bis zum Ende des Studiums wieder steigt. Gleichzeitig sinkt die Selbstwirksamkeitserwartung. Das führt dazu, dass Absolvent:innen am Ende rausgehen und denken: ich kann ja gar nichts.

Ich finde, wir sollten noch mal in uns gehen und uns über unsere Prüfungsformate Gedanken machen und dann natürlich auch noch mal gemeinsam brainstormen, was man weiter noch tun kann, um die studiums- und berufsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung der Studierenden zu steigern.

Vielen Dank an Prof. Mahtab Bahramsoltani für das Interview!

[1]Extraversion: Auch Extravertiertheit, Persönlichkeitseigenschaft, zeichnet sich durch nach außen gewandte Handlungen aus

[2]Neurotizismus: Gesamtverfassung, die durch emotionale Labilität, Schüchternheit und Gehemmtheit charakterisiert ist

[3]Intervison: kollegiale Beratung