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Ich glaub mich tritt ein Pferd – Arbeitssicherheit in der Großtierpraxis

Die Arbeit mit Großtieren wie Rindern und Pferden birgt vielfältige Herausforderungen. Das Risiko von Unfällen und eigenen Verletzungen ist eine davon. In einer Umfrage der Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrt (BGW), in der alle angestellten Tierärzte/-innen Mitglied sind, schätzte mehr als die Hälfte der Befragten das gesundheitliche Risiko durch Tritt- und Stoßverletzungen als hoch bis sehr hoch ein (1).

Hintergrund

Eine Auswertung der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in Tierarztpraxen ergab, dass Tiere mit 77,7% die häufigste Unfallursache sind (2). Bei Praxen mit überwiegenden Großtieranteil ereignen sich im Durchschnitt etwa 380 meldepflichtige Unfälle pro Jahr. Da nicht jeder Unfall zu einer ärztlichen Behandlung führt oder aus anderen Gründen nicht gemeldet wird, liegt die tatsächliche Zahl der Unfälle wahrscheinlich deutlich höher. Die häufigsten Verletzungen sind Zerreißungen, Prellungen, Distorsionen und Quetschungen. Insbesondere vor dem Hintergrund des relativen kleinen Berufsstandes der praktischen Tierärzte/-innen zeigen die Zahlen das erhöhte Unfallrisiko im Vergleich zu anderen Berufsgruppen. Eine Studie über das Arbeitsrisiko von Pferdetierärzten/-innen in Großbritannien kommt zu demselben Schluss. Demnach ist die tierärztliche Tätigkeit mit Pferden eine der gefährlichsten, zivilen Berufsfelder mit anteiligen Arbeitsunfällen, die über denen von Beschäftigen im Gefängnis, bei der Polizei oder auf Baustellen liegen (3).

Die Unfallstatistik der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau (SVLFG) verdeutlicht nochmal das Risiko, welches von Rindern und Pferden für den Menschen ausgeht. Im Jahr 2019 gabs es 5669 beziehungsweise 2130 Verletzte beim Umgang mit Rindern und Pferden (4). Zu tödlichen Unfällen kam es in 6 beziehungsweise 3 Fällen.  

 

 

 

 

 

Lösungen

Um das Risiko von Unfällen zu reduzieren, bedarf es einer Gefährdungsbeurteilung in mehreren Schritten:
Schritt 1 umfasst die Identifikation von gefährlichen Tätigkeiten in der tierärztlichen Praxis. Im 2. Schritt werden mögliche Risiken und ihre Folgen ermittelt und bezüglich ihrer Schwere und Auftrittshäufigkeit geordnet. Als 3. Schritt werden geeignete präventive Maßnahmen ermittelt: Die Gestaltung des Arbeitsortes, in diesem Fall der Rinder- oder Pferdestall, spielt eine entscheidende Rolle. Die Unfallverhütungsvorschriften Tierhaltung der SVLFG schreiben vor, dass der Unternehmer, sprich der Landwirt oder Pferdestallbetreiber, sicherstellen muss, dass entsprechende Einrichtungen vorhanden sind, damit Untersuchungen, Impfungen, Probenentnahmen, Besamungen und andere Maßnahmen an Tieren gefahrlos durchführbar sind (5). Dazu gehören Fixiereinrichtungen für den Tierkopf, Behandlungsstände und Schutzwände oder Schutzstangen gegen das Ausschlagen mit der Hinterhand. Leider sind derartige Einrichtungen oft nicht im ausreichenden Umfang vorhanden und der Tierarzt/die Tierärztin haben im akuten Fall keine Kontrolle über die Gestaltung des Arbeitsortes.

Eine präventive Maßnahme, die der tierärztlichen Hand stets zur Verfügung steht, ist die Anwendung von Zwangsmaßnahmen und Sedation. Oft reagieren Tierbesitzer mit Unmut oder Angst um ihr Tier auf die Anwendung von Zwangsmaßnahmen wie einer Nasenbremse oder Sedativa. Jedoch ist diese Maßnahme ein grundlegender Bestandteil des Tierwohls und der Arbeitssicherheit und eine offene Kommunikation mit dem Tierhalter angezeigt.               

Persönliche Schutzausrüstung (PSA) bietet individuellen Schutz. Der große Vorteil besteht darin, dass sie es dem Anwender ermöglicht sich unabhängig von anderen zu schützen. Die Arbeit mit Tieren ist nicht unbedingt von sich aus gefährlicher als zum Beispiel das Arbeiten au einer Baustelle. Allerdings ist das Tragen geeigneter PSA weniger üblich als bei anderen Berufen. Auch bei risikoreicheren Sportarten wie Skifahren oder Mountainbiken gehört passende PSA inzwischen zur Standardausrüstung. Schuhwerk mit Stahlkappe zum Schutz der Zehen sind bereits häufig anzutreffen bei der tierärztlichen Arbeit. Eine neuartige, speziell für den Einsatz am Tier entwickelte PSA ist die Sicherheitsschürze für den Schutz vor Stößen durch Tiere. Diese kann die gesundheitlichen Folgen von Tritten auf den Körper und die Beine reduzieren. In den Pferdekliniken der Hochschulen in Großbritannien ist das Tragen eines Helmes beim Umgang mit Pferden für die Studenten inzwischen Pflicht. Dabei ist PSA nie als alleinige Maßnahme zu verstehen, sondern Risiken sollten im Vorfeld stets klar beurteilt und durch alle verfügbaren Maßnahmen reduziert werden. Da bei der Arbeit am Tier jedoch stets ein hohes Maß an Unvorhersehbarkeit bestehen bleibt, sollte das Tragen von PSA eine Standardmaßnahme sein.

Im 4. Schritt der Gefährdungsbeurteilung werden die getroffenen Maßnahmen stätig bewertet und bei Bedarf angepasst.  

 

 

 

Fazit

Die tierärztliche Tätigkeit mit Großtieren birgt ein erhöhtes Risiko für Unfälle. Trotz hoher Unfallzahlen und entsprechender Vorschriften wird der Bereich Arbeitssicherheit beim Umgang mit Tieren insbesondere auch im Vergleich zu anderen Berufen oft noch wenig beachtet. Durch eine strukturierte Gefährdungsbeurteilung, gute Stalleinrichtungen, die Anwendung von Zwangsmaßnahmen/Sedativa, sowie die Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung lässt sich das Risiko dabei auf ein hinnehmbares Maß reduzieren. Ein Wandel in der Tierärzteschaft zu einem höheren Bewusstsein für Arbeitssicherheit und einer selbstverständlicheren Anwendung von persönlicher Schutzausrüstung ist nötig.       

Autor: Dr. Klemens Kiesner, Tierarzt, Gründer & Eigentümer von veppe – Personal Protective Equipment for Vets, Farmers and Professionals who work with Animals       

 

Quellen

  • Umfrage der Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrt in tierärztlichen Praxen bezüglich des gesundheitlichen Risikos durch verschiedene Gefahrenursachen, 2007, www.bgw.de
  • Unfälle und Berufskrankheiten bei Beschäftigten in Tierarztpraxen – Fallzahlen der Jahre 2007 bis 2011, Deutsches Tierärzteblatt 9/2021
  • Occupational risks of working with horses: A questionnaire survey of equine veterinary surgeons, Parkin et al., Equine vet. Educ. (2018) 30
  • Unfallstatistik 2019, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau, svlfg.de
  • Unfallverhütungsvorschrift Tierhaltung (VSG 4.1), in der Fassung vom 12.11.2020, svlfg.de