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Blutwerte per Whatsapp

Unsere Rolle als Studierende und die Chancen und Grenzen in der tiermedizinischen Telemedizin

„Telemedizin ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den […] Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden.“[1]

So definierte die Bundesärztekammer 2015 den Begriff, der schon seit einigen Jahren in unserer Gesellschaft angekommen ist. Im Jahr 2019 machte Telemedizin weltweit einen Umsatz von etwa 45 Milliarden US-Dollar, der Prognosen zufolge bis 2026 auf 175 Milliarden steigen könnte.[2] Zum Vergleich: der Jahresumsatz von Tesla lag 2019 bei rund 25 Milliarden US-Dollar[3] und damit bei etwas mehr als der Hälfte dessen der Telemedizin im selben Jahr. Der dahingehend wachsende Markt erscheint also spätestens jetzt einen genaueren Blick wert. Auch in der Tiermedizin wächst die Zahl an Anbieter*innen telemedizinischer Leistungen. Doch worum handelt es sich dabei genau und ist Telemedizin eigentlich nur etwas für ausgewachsene Praxisinhaber*innen und Großkonzerne? Welche Relevanz hat sie für uns Studierende?

Telemedizin – Ein Anwendungsbeispiel

Vor ungefähr einem Jahr habe ich von meiner Hausärztin die Auswertung meines Blutbildes nach Absprache über einen gängigen Messenger erhalten. Für mich war das sehr praktisch, ich konnte ihren anschließenden telefonischen Erläuterungen mit den Blutwerten vor Augen deutlich besser folgen. Meine Hausärztin hat ihre Praxis in der Stadt, in der meine Eltern leben, in der ich aufgewachsen bin. Ich hingegen wohne seit mehr als 2 Jahren in Hannover. Uns trennen über 200 km räumliche Distanz.
Die Vernetzung von Patient*innen und Mediziner*innen kann durch die Nutzung digitaler Ressourcen ganz neu gedacht werden. Mein Beispiel funktioniert dabei äquivalent für die Tiermedizin.
Die Übermittlung von Untersuchungsergebnissen zwischen beiden stellt dabei nur eine Möglichkeit dar, Telemedizin effizient zu nutzen.  Dr. Martina Warschau benennt dabei in ihrem Artikel für den BaT e.V. die weiteren Anwendungsgebiete in der Tiermedizin als Telekonsultation, telemedizinische Sprechstunde, Teletriage, Telemonitoring und Teledokumentation. [4]

Datenschutz und andere rechtliche Grauzonen

Erfahrene Leser*innen werden schon zu Beginn des Beispiels gestutzt haben. So könnte der Begriff „Messenger“ in der Nutzung für sensible medizinische Daten bitter aufstoßen. Im humanmedizinischen Bereich stellt sich laut Dominik Weiss, Autor für das Portal „Hausarzt.Digital“ folgendes Problem: „Nach den Vorgaben der DSGVO dürfen Ärzte für berufliche Zwecke Messenger-Dienste nur anwenden, wenn insbesondere die Rechtmäßigkeit und Sicherheit der Datenverarbeitung sowie der Schutz vor einem unberechtigten Zugriff gewährleistet sind.“[5] Eine Schweigepflicht besteht laut Strafgesetzbuch auch für Tiermediziner*innen[6] und würde unter Umständen verletzt, wenn Tierärzt*innen personenbezogene Daten von Halter*innen, wie Telefonnummern und Namen in herkömmliche Messenger einspeisen würden.
Darüber hinaus ist tiermedizinisch die Festlegung des Erlaubten in der Telemedizin Ländersache, die Bundestierärztekammer gab zwar im April des vergangenen Jahres Empfehlungen zur Anwendung der veterinärmedizinischen Telemedizin heraus[7], im Einzelnen muss jedoch nach den geltenden Regelungen des Bundeslandes gegangen werden. Jörg Held, Autor für das Portal „wir-sind-tierarzt.de“, spricht im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen von einer „deutschlandtypisch[en] […] Bremse […]“[8]. Komplizierte Grauzonen, vor denen sich einige aus Angst vor rechtlichen Folgen nicht hineinwagen wollen könnten.

 

Telemedizinische Plattformen – Die Lösung des Problems?

Was für praktizierende Tiermediziner*innen zum Teil verboten ist, kann für „[…] eine[r] branchenfremde[n] Firma dagegen – als Vermittler – erlaubt“[9] sein. Spezifisch tiermedizinische Datenschutzerklärungen und Nutzungsbedingungen können dort direkt in die Nutzung der Portale eingebracht werden. Anstatt einer WhatsApp-Lösung bietet zum Beispiel die neue Telemedizin-Plattform HelloVet eine DSGVO konforme Kommunikation zwischen Tierärzt*in und Tierhalter*in. Neben einer End-zu-End-Verschlüsselung wird das Portal auf Deutschen Servern gehostet. „HelloVet arbeitet sehr eng mit den Kolleg*innen im Feld zusammen und entwickelt im gemeinsamen Dialog weitere Datenschutzkonzepte“[10], so Mitbegründer und Tierarzt Daniel Medding im persönlichen Gespräch mit uns.

Anwendungsgebiete der Telemedizin in der Tiermedizin beschränken sich derzeit noch weitestgehend auf Videokonsultation: Viele auf dem Markt bekannte Plattformen wie Dr. Sam, FirstVet und Pfotendoctor stellen durch ihre Teletriage dabei eine echte Chance für die niedergelassenen Tiermediziner*innen dar. Patienten werden in der online-Sprechstunde sehr kurzfristig empfangen, hinsichtlich der schwere ihrer Erkrankung vorab beurteilt und bei Bedarf an eine*n niedergelassene*n Tierärzt*in überwiesen werden. So können laut Dr. Martina Warschau zum Beispiel „unnötige“ Notdienstbesuche vermieden und Notdienste damit entlastet werden. Die Gefahr der Fehleinschätzung in einer solchen Triage-Situation und das Verpassen von Nebenbefunden aufgrund des fehlenden Allgemeinuntersuchungsganges dürfte allerdings dadurch im Raum stehen.[11]
Andere Telemedizin-Anbieter vermarkten sich weniger als eigenständige*r Tierärzt*in, sondern mehr als Tool für bestehende niedergelassene Praxen und Kliniken. So auch das Startup HelloVet.de, dass Tierhalter*innen und ihre Haustierärzt*innen online zusammenbringt. So können sich Praxen und Kliniken den Entwicklungsaufwand für solche Lösungen sparen und bleiben ohne zusätzlichen Aufwand und Programmierung nur mit der einfachen Einbindung des Tools von HelloVet konkurrenzfähig. Sie können unkompliziert auf das Portal zurückgreifen um sich dort zum Beispiel zur Erfolgskontrolle einer Medikation mit ihren Kund*innen zu treffen, oder – um auf das Anwendungsbeispiel zurückzukommen – um Ergebnisse von Blutuntersuchungen zu übermitteln und zu besprechen. Besonders an dem neuen Portal HelloVet ist dessen Entstehung: Im Gegensatz zu anderen Anbietern ist das StartUp von Tiermediziner*innen gegründet und im Rahmen der Doktorarbeit des Mitbegründers Daniel Medding entwickelt worden. Für alle Neugierigen: Bei Interesse an diesem Thema ist der Mitbegründer über folgende Emailadresse zu erreichen – daniel.medding@hellovet.de[12]
Eine Hürde, die aber auch hier nicht außer Acht gelassen werden darf, stellt die Nutzung des Internets per Se dar. Was für uns Studierende in Zeiten der Pandemie flächendeckend vorausgesetzt wird, ist nicht allen von uns – und vor allem auch über uns Studierende hinaus – gegeben: Die Verfügbarkeit der technischen Mittel, die Qualität der Internetverbindung und das Know-How zum Umgang mit beidem. Laut D21-Digital-Index 2020/2021 sind 8,5 Millionen Menschen in Deutschland ohne Zugang zu Internet, die prozentuale Verteilung liegt dabei vor allem zulasten von Alten, Frauen und Menschen mit niedrigem Bildungsstand.[13] Etwa 1/3 der deutschen Bevölkerung fürchtet sogar den Anschluss an die Gesundheitsversorgung zu verlieren, wenn dieser Sektor – und das erscheint wahrscheinlich – in Zukunft immer mehr ins Digitale verschoben wird.[14] So erscheint bei allen Vorteilen für telemedizinische Anwendung die Aufklärung der Patientenbesitzer*innen und das Schaffen einer Vertrauensbasis nach wie vor eine wichtige Baustelle, um eine Ungerechtigkeit in diesem Bereich weitestgehend zu vermeiden. Die Verantwortung dafür sollte nicht allein bei der Politik gesehen werden. So kann es auch als Chance gesehen werden, durch angemessene Hilfestellung in der Nutzung von digitalen Angeboten der eigenen Praxis das Vertrauen der Kund*innen zu stärken und sie auf dem Weg in die Digitalisierung nicht allein zu lassen.

 

Die Bedeutung der Studierenden in der Telemedizin

Gegenüber der digital schlechter integrierten älteren Bevölkerung stehen im Umkehrschluss besser eingebundene junge Menschen. Das Potenzial, dass sie als Berufseinsteiger*innen mitbringen, könnte dabei also auch im Bereich Digitalisierung von Praxen und Integration in die Telemedizin liegen. Durch den bestehenden Trend hin zur Digitalisierung stellt sich die Frage, inwieweit Studierende im Studium explizit auf diesen neuen Bereich des Berufsstandes vorbereitet werden sollten. So könnten beispielsweise konkrete Rechtsvorlesungen für den sicheren Auftritt im Internet und praktische Kompetenzen für die Telemedizin in den regulären Lehrplan eingearbeitet werden.
Aber auch für Studierende selbst erscheint die aktive Zuwendung zum Thema Telemedizin nicht unrelevant. Der Trend zu einer Erweiterung der Nutzung besteht. So kann man beispielsweise im praktischen Jahr die Einarbeitung in Telemedizin-Tools der Praktikumsstelle einfordern. Wir sollten es nicht verpassen, uns mit unserer zukünftigen Rolle auch an dieser Stelle auseinanderzusetzen, sodass wir in Zukunft wissen, worauf wir rechtlich achten, um nicht an Stolperfallen wie die Nutzung von unsicheren Messengern zu scheitern. Zu empfehlen bleibt also eine generelle Offenheit für das Thema.

 

Weiterführende Artikelempfehlungen

 

Quellen

[1] Bundesärztekammer (2015) Telemedizin. Abgerufen: 22.03.2021 von https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/telematiktelemedizin/telemedizin/

[2] Statista (2021) Umsatz des weltweiten Telemedizin-Marktes im Jahr 2019 und Prognose für das Jahr 2026. Abgerufen: 22.03.2021 von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1184597/umfrage/umsatz-des-globalen-telemedizin-marktes/#:~:text=Im%20Jahr%202019%20belief%20sich,175%20Milliarden%20US%2DDollar%20anwachsen.

[3] Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien (2020) Tesla Umsatz 2019 steigt auf knapp 25 Milliarden Dollar. Abgerufen: 22.03.2021 von https://www.iwr.de/news/tesla-umsatz-2019-steigt-auf-knapp-25-milliarden-dollar-news36539

[4] Warschau, Martina (2020) Der Einzug der Telemedizin in die Tiermedizin. Abgerufen: 17.04.2021 von https://bundangestelltertieraerzte.de/der-einzug-der-telemedizin-in-die-tiermedizin/

[5] Weiss, Dominik (2019) WhatsApp für die Praxis – gestattet oder gefährlich? Abgerufen: 17.04.2021 von https://www.hausarzt.digital/praxis/e-health-und-it/whatsapp-im-praxisalltag-gestattet-oder-gefaehrlich-57048.html#:~:text=Nach%20den%20Vorgaben%20der%20DSGVO,einem%20unberechtigten%20Zugriff%20gew%C3%A4hrleistet%20sind.

[6] § 203 Absatz 1 Satz 1 StGB

[7] Bundestierärztekammer (2020) Empfehlungen der Bundestierärztekammer zur Anwendung der veterinärmedizinischen Telemedizin. Abgerufen: 17.04.2021 von https://www.bundestieraerztekammer.de/

[8] Held, Jörg (2020) Telemedizin (II): Netflix-Mentalität der Tierhalter? Abgerufen: 17.04.2020 von https://www.wir-sind-tierarzt.de/2020/05/telemedizin-ii-netflix-mentalitaet-der-tierhalter/

[9] Held, Jörg (2020) Telemedizin (II): Netflix-Mentalität der Tierhalter? Abgerufen: 17.04.2020 von https://www.wir-sind-tierarzt.de/2020/05/telemedizin-ii-netflix-mentalitaet-der-tierhalter/

[10] Medding, Daniel (2021) Persönliche Kommunikation. 25.04.2021

[11] Warschau, Martina (2020) Der Einzug der Telemedizin in die Tiermedizin. Abgerufen: 17.04.2021 von https://bundangestelltertieraerzte.de/der-einzug-der-telemedizin-in-die-tiermedizin/

[12] Medding, Daniel (2021) Persönliche Kommunikation. 25.04.2021

[13] D21-Digital-Index (2021) Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft. S. 12. Abgerufen: 17.04.2021 von https://initiatived21.de/d21index/

[14] D21-Digital-Index (2021) Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft. S.61. Abgerufen: 17.04.2021 von https://initiatived21.de/d21index/