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Post-Physikum-Rückblick – Ein kleiner Albtraum mit Happy End

Die Corona Pandemie hat uns alle in unterschiedlichem Maße betroffen. In meinem Fall ist der Virus genau in dem Semester vor meinem Physikum ausgebrochen. Als ich mitbekommen habe, dass alles nur online stattfinden würde, habe ich mich so gefühlt, als sei das die größte Katastrophe der Welt. Alle meine Kommiliton*innen waren auch unruhig, vor allem weil keiner wusste, wie man so ein kompliziertes und anspruchsvolles Semester online veranstalten kann. Trotz allem haben sich die Institute an der Universität Mühe gegeben, uns so viel wie möglich zu helfen, und rückblickend muss ich sagen, es ist ihnen eigentlich gelungen.

Wir mussten uns daran gewöhnen, von zu Hause aus die Vorlesungen zu machen und selbstständig mit den Unterlagen zu arbeiten, und das fand ich nicht immer so einfach. Es gab zu viele Ablenkungen; nicht nur das unglaublich gute Wetter (es wurde Sommer) hat mich aus dem Lernmodus rausgebracht, sondern auch die Corona- Krise hat es überhaupt nicht leicht gemacht, sich auf das Studium zu konzentrieren. Jeden Tag habe ich in den Nachrichten immer wieder gehört, wie die Situation weltweit schlimmer wurde, und ich habe mich ganz schlecht gefühlt, weil ich nur an meinem Schreibtisch saß und die Muskeln des Kopfes gelernt habe. Es hat sich nicht richtig angefühlt, irgendwas zu machen, ohne sich erstmal Gedanken über die Pandemie zu machen.

Zum Glück war ich ja nicht alleine, ich hatte meine Kommiliton*innen, denen es auch genauso ging, und wir haben uns allen gegenseitig geholfen. Ich hatte auch extrem viel Glück mit meinem Freundeskreis; wir haben nicht nur zusammen gelernt, sondern auch Zusammenfassungen ausgetauscht, uns gegenseitig Fragen gestellt und beantwortet und wir haben mehrmals online Meetings gemacht, in denen wir Vorträge zu bestimmten prüfungsrelevanten Themen gehalten haben.

Trotzdem war es ganz schwierig, für das Physikum und für die anderen Prüfungen zu lernen. Wie konnte ich denn überhaupt lernen, wenn ich nicht wusste, wie es meiner Familie und meinen Bekannten ging? Ich komme ursprünglich aus Spanien und bin für das Studium nach Deutschland gezogen. Als Studierende ist es manchmal nicht einfach, weit weg von zu Hause zu studieren, weil man ja die ganze Zeit Angst hat, dass man was Wichtiges verpasst. Durch die ganze Corona-Situation wurde es nur schlimmer, weil diese Angst jeden Tag größer geworden ist. Ich habe mir die ganze Zeit Sorgen gemacht, dass irgendwas Schlechtes passiert, und ich war deswegen die ganze Zeit am Handy.

Und klar, als ich am Handy war, habe ich nicht nur auf eine Nachricht gewartet, sondern habe auch mal auf Instagram reingeschaut, was auf Facebook gepostet oder lustige Bilder auf Twitter geliked. Und dann habe ich auf die Uhr geguckt und ich habe gemerkt, dass ich meine Zeit komplett verschwendet habe. Jeden Tag dasselbe Problem. Und jeden Tag dachte ich mir „Okay, du hast heute nichts für die Uni gemacht, aber du hast noch genug Zeit bis zu den Prüfungen, also gehst du jetzt lieber schlafen und bist morgen einfach ganz produktiv“… Ein Tag nach dem Anderen hat sich das wiederholt, bis ich kurz vor der Prüfung gemerkt habe, dass es doch keine schlechte Idee wäre, eventuell mit dem Lernen anzufangen. Als Studierende weiß man doch, dass es ein absolutes No-Go ist, das Handy am Schreibtisch zu haben, während man lernt. Keiner kann sich zurückhalten und nur 2-3 Minuten auf Instagram sein, es ist einfach nicht möglich!

Auch hat mir nach ein paar Monaten diese Unterscheidung zwischen Arbeitsraum und Freizeitraum gefehlt, und ich glaube das geht uns allen so als Studierenden. In den meisten Fällen können wir uns einfach keine große Wohnung leisten, also ist unser eigener Wohnraum auf ein Zimmer beschränkt. Manche Leute haben das Glück, dass sie noch ein Wohnzimmer besitzen, indem sie sich entspannen können. In meinem Fall war es leider nicht so, deswegen bin ich einfach vom Schreibtisch ins Bett gegangen, und das war mein Wechsel zwischen Arbeitsraum und Freizeitraum. Und nach ein paar Prüfungen war ich so müde, dass mein Freizeitraum mein Arbeitsraum geworden ist; ich habe einfach im Bett gelernt und glaubt mir: das war keine gute Idee.

Es war aus logistischen Gründen auch nicht so einfach, die Physikums Prüfungen coronakonform zu organisieren, und das hat uns allen noch nervöser gemacht. Wir mussten in den Prüfungen die ganze Zeit die Maske tragen, den Abstand halten… Wir mussten einfach auf so viele Sachen aufpassen, dass man sich kaum auf die Prüfung konzentrieren konnte, und das hat Folgen gehabt, zumindest für mich: Ich bin durch drei Prüfungen durchgefallen, und das hat mich noch fertiger gemacht, weil ich das bisher noch nie hatte. Bis jetzt hatte ich immer alles ohne Probleme geschafft und ich konnte einfach nicht verstehen, wie das passieren konnte, denn ich hatte eigentlich genauso gelernt wie immer.

Nicht nur dieses konstante Lernen war anstrengend, mir hat die Uni-Routine gefehlt. Das Essen in der Mensa, das Treffen mit meinen Freunden, das Sitzen in den Hörsälen, während man auf den*die Dozent*in gewartet hat. Das ganze Campusleben war auf einmal nicht mehr da.

Mein Körper hat sich auch anders gefühlt, weil ich viel weniger Tageslicht bekommen habe. Ich bin nur für das Nötigste rausgegangen… Einmal die Woche war ich einkaufen, eventuell habe ich einen Spaziergang mit meiner Mitbewohnerin gemacht, aber sonst habe ich den ganzen Tag an meinem Schreibtisch gesessen und habe gelernt (oder ich habe zumindest versucht, zu lernen). Ich war noch nie so blass im Sommer, aber ich konnte die Sonne im Freien einfach nicht genießen, ohne ein schlechtes Gefühl zu haben.

Es gibt aber nicht nur negative Sachen über diese atypische Physikumserfahrung zu erzählen! Die Pandemie hatte auch was Positives gebracht. Dadurch, dass ich nicht mehr in die Uni gehen musste, habe ich mir das konstante hin und her gespart und konnte meine Zeit viel besser nutzen, weil ich ja nicht mal aus meinem Zimmer gehen musste, um die Vorlesungen zu machen. Am Anfang war ich ganz aufgeregt, dieses neue Lernformat auszuprobieren, weil ich auch eine Person bin, die eigentlich nicht so oft in die Uni geht, vor allem vor einer Prüfungsphase (meine Freunde können das gerne bestätigen). Und ich habe eine ganze Menge an produktiven und neuen Sachen gemacht mit der großen Menge an Freizeit, die ich dadurch zur Verfügung hatte. Am meisten habe ich trainiert, aber ich habe auch viele coole Serien geguckt und spannende Bücher gelesen.

Kleiner Spoiler, ich habe mein Physikum trotz allem erfolgreich abgeschlossen! Jetzt, wo diese anstrengende Zeit vorbei ist, kann ich viel entspannter lernen, obwohl es mir trotzdem manchmal immer noch schwer fällt, den gefühlten ganzen Tag lang in meinem Zimmer vor dem Bildschirm zu sitzen und zuzuhören. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich es am Ende doch schaffen würde, und dass ich mich jetzt im fünften Semester befinden würde, wieder kurz vor einer langen Prüfungsphase, aber hier bin ich!

  • AT·