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Ein Gruß aus dem 11.Semester

Es ist alles nicht so schlimm, wie ich erwartet habe und doch irgendwie schlimmer. Ergibt das einen Sinn? Vermutlich nicht, aber irgendwie dann doch. Naja, vielleicht ein bisschen.

So ist es jedenfalls anders als erwartet und ich wurde dem Lernen nie überdrüssig. Noch immer habe ich Spaß am Lernen, so komisch das auch klingt. Natürlich könnte ich getrost auf die ein oder andere Information verzichten, die ich mir in den letzten Monaten in mein Gehirn gestopft habe. Das sind dann aber meistens genau die Dinge, die ich aus unerfindlichen Gründen für immer speichern werde. Ihr wisst bestimmt, wovon ich spreche.

Außerdem dachte ich nicht, dass ich jemals in Prüfungen nicht nervös sein muss. Es ist in Ordnung, nicht alles zu können und auf jede Frage sofort eine Antwort zu haben – dessen ungeachtet, dass das meist gar nicht möglich ist – und das wissen die Prüfer in der Regel auch. Wenn man sich aber die ganze Zeit nur auf seine Nervosität konzentriert, dann hat man viel weniger Energie, über Fragen nachzudenken, die man vielleicht nicht sofort, aber sicher mit ein bisschen überlegen, beantworten kann. Es hat ein bisschen gedauert, das zu begreifen, aber letztendlich hat mir diese Erkenntnis in mehreren Prüfungen sehr viel weitergeholfen.

Womit ich definitiv nicht gerechnet habe – zumindest nicht in dem Ausmaß, in dem das gerade stattfindet: der ständige Wechsel zwischen Abgeklärtheit und emotionaler Überforderung. In einem Moment bin ich total gelassen und voller Selbstsicherheit, dass die nächste Prüfung ein Kinderspiel wird und im nächsten hat sich das schlagartig geändert. Dann reichen meine Gefühlsausbrüche von hysterischen Lachanfällen bis hin zu Schimpftiraden, die ich mir selbst nie zugetraut hätte. Und das in Sekundenschnelle. Ich schätze das nennt sich Stress.

Eine Sache die ich ebenfalls unterschätzte, war und ist das Gefühl nicht zu wissen, was danach kommt. Zwar habe ich schon die ein oder andere Bewerbung geschrieben und auch mehrere Optionen offen, dennoch weiß ich nicht, was mit meinem Leben nach der letzten Prüfung im Februar passieren wird. Bleibe ich in Berlin oder ziehe ich weg und wenn wohin? Was erwartet mich in meinem neuen Leben? Wie ist es, berufstätig zu sein? Das macht mich häufig tatsächlich nervöser als ich zugeben würde und definitiv nervöser als es eine Prüfung könnte. Und es nervt. Nicht nur, nicht so richtig zu wissen was kommt, sondern auch die Frage von Familie, Freunden und Bekannten danach.

 

Manche Erwartungen wurden dann aber doch erfüllt: der Stress, meine Magenschmerzen sowie alle möglichen körperlichen Beschwerden durch das viel zu lange Sitzen und dann kommt da noch der mangelnde Kontakt zur Außenwelt. Wobei Letzteres seit März vermutlich ein gesamtgesellschaftliches Defizit geworden ist und nicht nur Tiermedizinstudierende im dritten Staatsexamen betrifft. 

 

Ich möchte mit diesem Artikel das 11. Semester auf keinen Fall schönreden – nicht, dass mir das bisher gelungen wäre, aber ihr braucht auch keine Angst davor zu haben. Ihr habt es bis hierhin geschafft, das ist nur noch der letzte große Schritt und auch den werdet ihr meistern. Einer der Tierärzte aus meinem PJ hat gesagt: „Das Schwierigste an unserem Studium ist, einen Platz zu bekommen“. Dem stimme ich zwar nicht vollkommen zu, aber etwas Wahres ist doch dran. In keiner meiner Prüfungen hatte ich das Gefühl, dass man rausgeprüft wird. Im Gegenteil sogar, waren alle Prüfer sehr wohlwollend und meistens hat es sich mehr wie ein Fach- als ein Prüfungsgespräch angefühlt.

Aber diese Prüfungsphase hat auch Gutes, mal abgesehen von der riesigen Menge an Informationen, dich ich mir gerade angeeignet habe (ein so breitgefächertes Wissen werde ich nie wieder haben). Zum Beispiel der geregelte Alltag, den ich seit Oktober habe. Ja gut, das Wochenende existiert seitdem de facto nicht mehr, allerdings ist mein Schlafrhythmus ist so ausgeglichen wie noch nie zuvor in meinem Leben. Aber auch, wenn ich jetzt die Fähigkeit besitze, jeden Tag um 7.30 Uhr aufzustehen und das ohne Wecker, freue ich mich auf ein Wochenende nach den Prüfungen, an dem ich einfach ausschlafen kann.

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