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Kategorie: Kuhlumne

Geschichten aus dem Schlachthofpraktikum

Heute Nachmittag ist in meinem Schlachthofpraktikum etwas passiert, dass mich buchstäblich sehr mitgenommen hat.
Ich war im Stall eingeteilt und habe dort mit der zuständigen Amtstierärztin die Lebendbeschau beim Schlachtvieh durchgeführt.

Die Tiere kommen im Transporter an, werden abgeladen und vom Stallpersonal in eine Bucht getrieben. Beim Abladen der Tiere, also wenn sie vom Hänger gehen und in den Stall laufen, werden sie von den Veterinären begutachtet. Man bekommt einen ersten Eindruck vom Allgemeinbefinden und kann sehr gut beurteilen ob Lahmheiten bestehen.
So wollten wir auch bei der vermeintlich letzten Kuh dieses Tages sehen, wie sie vom Hänger läuft.

Ich selbst bin auf einem Milchviehbetrieb groß geworden und bin mit Rindern durchaus vertraut. Dazu zählt auch mein Respekt vor Bullen, aber vor weiblichen Rindern befürchtete ich bisher nichts.

Diese letzte Kuh war allein im Hänger. Sie war auch keine ausrangierte Milchkuh, sondern vermutlich ein extensiv gehaltenes Weiderind. Schon dort hätte uns bewusst sein müssen, dass das Rind auch unerwartet reagieren könnte.

Die Amtstierärztin und ich standen innerhalb des Abladebereichs, der mit Gattern umschlossen ist.
Als die Kuh aber dann vom Hänger ging – und wir wurden nicht vorgewarnt! – stürmte sie mit gesenktem Kopf auf uns zu. Die Amtstierärztin gelang noch die Flucht hinter das Gatter, ich jedoch wurde von einem Kuhschädel an die Wand gestoßen.
Glücklicherweise lies sie gleich wieder von mir ab und rannte weiter in den Stall. So konnte ich mich vor weiteren Angriffen in Sicherheit bringen.
Es musste kein Krankenwagen verständigt werden, ich bin mit blauen Flecken davongekommen, aber der Scheck sitzt einem erst Mal tief in den Knochen.
Von einem Tier gezielt attackiert wurde ich wirklich noch nie und es gibt einem zu denken.

Man kennt ja diese Schlagzeilen von Landwirten, die von ihren Rindern zu Tode getrampelt werden. Darunter Kommentare von Tierschützern, die dies als Rache der Tiere deklarieren.
Dazu sage ich ganz subjektiv, dass diese Kuh zwar nun in der Kühltheke liegt, aber ich von allen beteiligten Personen, die dabei waren, die Einzige war, die nicht freiwillig dort war und in keinerlei Weise Schuld an der Schlachtung des Tieres hatte. Ich stand einfach nur am falschen Fleck zur falschen Zeit.

Das andere ist die generelle Sicherheit. Aber das gehört zum Beruf. Natürlich verteilen Großtiere die schwereren Tritte, aber auch ein Biss eines Kleintiers kann sich schlimm entzünden und so sehr gefährlich werden.
Man muss sich diesem Risiko einfach bewusst sein, wen man mit Tieren umgeht.

Aber auch wenn es zu einem Unfall kommt, sollte man es wie beim Reiten machen. Wieder aufsteigen. Denn wer das nicht tut, wird es nie wieder tun oder nur mit sehr, sehr viel Angst.

Natürlich wird es komisch werden wieder an dieselbe Stelle zu gehen, aber auch das normalisiert sich mit der Zeit wieder. Mir wurde außerdem auch klipp und klar gesagt, dass ich da wieder hingeschickt werde. Man muss sich Ängsten eben stellen.
Ein Gutes hat die Sache aber vielleicht trotzdem. Man geht mit mehr Bedacht an die Tiere heran. Mir ging es immer so, dass ich auch fremde Kühe mit den eigenen verglichen habe. Da sind manche schreckhaft und laufen vor einem weg und andere schlecken einen von oben bis unten ab. Wieso sollte ein Tier der gleichen Gattung also anders reagieren? Dabei ist es wie mit fremden Menschen, da weiß man vorher auch nicht wie sie ticken nur weil man jemanden kennt der der Person ähnelt.

Wieso teile ich diese Erfahrung nun also mit euch?
Ich finde auch als Student hat man oft noch eine rosarote Brille auf im Bezug auf die kurative Arbeit. Was nicht bedeutet, dass dieser Beruf nicht der beste der Welt ist. Aber er kann eben auch gefährlich werden und das sollte man sich einfach bewusst machen.
Ich arbeite immer noch gern mit Rindern. Aber wenn ich nun einen fremden Stall betrete, bin ich vorsichtiger geworden.
Schafft euch bei jedem Tier einen ersten Eindruck, achtet auf die Körpersprache. Lasst euch die Tiere gut fixieren, wenn nötig. Wenn ihr euch sicher fühlt, wird auch das Tier sich sicherer fühlen.

Nun habe ich hoffentlich nicht so viel Angst und Schrecken verbreitet, dass hier keiner mehr in die Praxis gehen möchte.
Ich würde euch nämlich raten, geht dahin! Nur passt dabei eben auf euch auf.

 

Von Carolin Sprenzel.