DVG Tierschutztagung – Tierschutz am Anfang
Die 24. Iternationale Fachtagung der Arbeitsgruppe Tierschutz des DVGs hat in München vom 15.-17. März mit rund 375 Teilnehmern stattgefunden und unterlag dem spannenden Schwerpunktthema: „Tierschutz am Anfang? Zur Zucht und Haltung von Jungtieren“.
Durch eine Zusammenarbeit zwischen der DVG und des bvvds ist es zehn Studenten mittels Freikarten möglich gewesen, diese Veranstaltung unentgeltlich zu besuchen. Organisiert wurde die Tagung von Frau Dr. Anna-Caroline Wöhr (Leiterin der DVG-Fachgruppe Tierschutz) und Herrn Professor Dr. Michael Erhard (Vorstand des Lehrstuhls für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung, Tierärztliche Fakultät, LMU München) ist. Er ermöglicht nun bereits seit ein paar Jahren der Arbeitsgruppe Tierschutz des bvvds 10 Freikarten unter den Studenten zu verteilen.
Aufgrund der Fülle an interessanten und lehrreichen Vorträgen werde ich lediglich auf meine persönlichen Favoriten näher eingehen.
Die Tagung begann am Donnerstagmorgen nach einer kurzen Begrüßung gleich mit einem ethischen Vortrag, der den Titel „Töten ohne Schuld? Eine ethische Analyse der Tötung ungeborener Tiere“ trug. Er handelte von der Theorie des „Moralischen Individualismus[es]“, welche besagt, dass die Schädlichkeit einer Handlung eines Lebewesens gegenüber, von den Fähigkeiten und Eigenschaften des Lebewesens abhängen (z.B. Fähigkeit zu Leiden). Diese Theorie ist kritisch am Beispiel der Blutfarmen für PMSG hinterfragt worden, mit der Schlussfolgerung, dass die Respektlosigkeit den wehrlosen Lebewesen gegenüber ein wichtiger Aspekt sei. Außerdem wurde „die Bedeutung eines reflektierten und differenzierten Selbstverständnisses der Profession“ betont, sodass die Tötung ungeborener Tiere durchaus ein moralisches Problem für die Tierärzte darstellen könne [H. Grimm, Wien (A)]. Dies war schon mal ein vielversprechender Einstieg in die Tagung!
Die weiteren Vorträge am Donnerstagvormittag wichen von diesem ersten, ethisch gewichteten Vortrag ab, indem sie verstärkt auf die gesetzlichen Grundlagen und gegenwärtige Situation in der Haltung und Schlachtung von Nutztieren, besonders von Kälbern, eingingen.
Auch diese Präsentationen waren spannend und besonders gefiel mir die thematische Gliederung, da die nacheinander folgenden Vorträge aufeinander aufbauten. Hier als kleiner Einblick in die vorgestellten wissenschaftlichen Erkenntnisse: „Föten [empfinden] während des letzten Trächtigkeitsdrittels keine Schmerzen oder andere negative[] Zustände“ mit 66-99% Wahrscheinlichkeit. Allerdings müssten für eine „letztendliche Positionierung zur Problematik […] ethische Überlegungen […] eine wichtige Rolle“ einnehmen [C. Winckler, Wien (A)].
Des Weiteren wurde der Umgang mit überzähligen Kälbern angesprochen und kritisch untersucht, wobei E. Schmid zum Abschluss seines Vortrages eine Karikatur eines Kalbes mit einem Zitat zeigte:“ Wollen wir uns die Milch meiner Mutter nicht teilen?“. Dies lud zum Lachen und Nachdenken ein.
Abgerundet wurde das Ganze für die Tierärzte mit einem Bayrischen Abend in der Hütte des Augustiner Kellers und abschließendem Eiskegeln. Für uns Studenten ging es ins Café an der Uni („CADU“), wo wir gemeinsam einen lustigen Abend verbrachten.
Am Freitag ging es wieder mit einem sehr interessanten Vortrag los: „Tierschutz von Anfang an: Das 3R-Konzept als Leitprinzip in der tierärztlichen Ausbildung“. Diese sehr hochschulrelevante Thematik lud verschiedene Studenten und Mitarbeiter der verschiedenen tiermedizinischen Fakultäten bei der anschließenden Diskussion dazu ein, die gegenwärtige Situation bei Ihnen zu schildern. Dies gewährte einen differenzierten Einblick, beispielsweise in die verschiedenen Handhabungen mit den universitätseigenen Propädeutik-Beaglen – so werden diese an der Universität Gießen nicht länger als zwei Jahre „genutzt“ und dürfen über das Wochenende und Semesterferien zu ihren „Paten“ nach Hause. Der Pate ist ein Student, der einem Beagle nach Ablauf der „Nutzungsdauer“ ein neues Zuhause gibt und auch schon während der Zeit an der Fakultät als Bezugsperson dient.
Besonders spannend war am Nachmittag ein Vortrag über das Projekt
„Pro-SAU“. Hier wird die „Fixierung der Sau während der kritischen Lebensphase der Ferkel in fünf Abferkelbuchtentypen mit Bewegungsmöglichkeit“ untersucht. In Österreich wird es bis 2033 Änderungen in der Sauenhaltung geben – ob Deutschland mit diesen Änderungen nachziehen wird bleibt abzuwarten (und zu hoffen).
Natürlichen dürfen bei einer Tierschutz-Tagung die Vorträge über Qualzuchten nicht fehlen, denn dieses Thema ist wahrlich omnipräsent.
So stellte J. Friker (LMU München) die „Veränderung am Gehirn von Mastschweinen – eine Qualzucht?“ vor. Hierbei war erstaunlich, dass das Kleinhirn bei Schweinen, insbesondere bei Wildschweinen, länglicher Natur zu sein scheint und dass es bei Hausschweinen, womöglich züchtungsbedingt, teilweise durch das Foramen magnum in den Canalis spinalis hineinreiche. Die genauen Folgen für das Tier eines eventuell gequetschten Kleinhirns sind bisher noch nicht erforscht.
Des Weiteren gab es Ausführungen über die Probleme von Zuchthybriden und über die juristischen Aspekte des Vollzugs bezüglich des Paragraphen 11b des Tierschutzgesetzes.
Im Anschluss fand ein Treffen der DVG-Fachgruppe Tierschutz statt, bei der ich als Beobachter von der AG Tierschutz des bvvds aus beisitzen durfte.
Der Samstagmorgen war den exotischeren Tieren gewidmet. Ein eindrucksvoller Vortrag über „Nachzuchten im Zoo – Segen oder Fluch? Kontrazeption als ein wichtiger Bestandteil im Populationsmanagement moderner zoologischer Gärten“ (T. Knauf-Witzens, Wilhelma Stuttgart), dann ein Einblick in die Schwierigkeiten bei der Handaufzucht von Psittaziden (J. Brüggemann, Augsburg) und schließlich noch Berichte (S. Öfner, LMU München) von den, leider immer populärer werdenden Qualzuchten bei Reptilien, wie beispielsweise den schuppenlosen Bartagamen (Silkbacks).
Der letzte Vorlesungsblock war dann für viele Teilnehmer das Highlight. Hier wurde unter anderem über „Hunde aus dem Ausland – Tierschutz und illegaler Welpenhandel“ (S. Chandraratne, München) und das brachyzephale Atemnotsyndrom beim Hund (J. Klaus, Wien) berichtet.
Zum krönenden Abschluss dieses Blocks und der gesamten Tagung gab es einen faszinierenden Vortrag über Wölfe (B. Mennerich-Bunge, Lüchow-Dannenberg). Hier wurde uns erklärt, dass Wölfe nicht Angst vor dem Menschen haben, sondern sie „lernen, einen Reiz (hier Mensch) zu ignorieren, der keine nützliche Information enthält“, woraus folgt: „Will man die „Scheu“ des Wolfes erhalten, muss die Futterkonditionierung vermieden werden“ und, dass der Wolf durch Bejagung nicht „Mehr Respekt“ lerne.
Hier noch ein praktischer Tipp: Begegnet man einem Wolf, dann „seien Sie bitte schön laut und böse“! [B. Mennerich-Bunge, Lüchow]
So nahm die Tierschutz Tagung ihr Ende und nachdem Abschieds- und Dankesworte gesprochen worden waren, kamen viele zu einem kleinen Abschiedsumtrunk und zum gemütlichen Ausklingenlassen der Tagung zusammen.
Dies waren nur meine Highlights doch es war hierbei für jeden etwas dabei von dem Umgang von Jungtieren bei der Jagd über die Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen bis hin zu der anfänglichen Geschichte der Tierschutzrechtssetzung ab 1933.
Des Weiteren sollte noch das tolle Catering erwähnt werden, welches uns alle mit regionalem und biologische angebautem Essen verpflegt hat. Für die Koffein-Junkies war auch in jeder Pause Kaffee en masse vorhanden und auch verschiedenste Säfte, sowie natürlich Wasser, standen natürlich bereit.
Die Pausen waren super, um über die vorigen Vorträge zu reflektieren und zu diskutieren, sowie Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen Tierschutzbegeisterten über Projekte auszutauschen. Alternativ konnte man sich den Bauch vollschlagen und sich über die Abendplanung Gedanken machen.
Zusätzlich zu den Vorträgen gab es eine Ausstellung mit 18 verschiedensten Postern. Hier war auch die VRK unserer VMF vertreten mit der Exopet-Studie: „EXOPET – Studienergebnisse zur Haltung exotischer und wildlebender Vögel, Reptilien und Amphibien in Deutschland“
Mein Dank gilt an dieser Stelle, im Namen der Studenten und des bvvds, Herrn Professor Dr. Dr. Erhard und Dr. Anna-Caroline Wöhr und dem tatkräftigen Team für die Organisation dieser erstklassigen Veranstaltung und für die 10 Freikarten, die es uns ermöglichten hieran teilzunehmen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass es eine absolut gelungene Tagung gewesen ist mit Vorträgen, die sehr wissenschaftlich waren und viele interessante, sehr aktuelle Anliegen thematisiert haben. Über die spannenden Fakten und die Praxisrelevanz der meisten Präsentationen habe ich mich sehr gefreut, auch wenn ich es schade gefunden habe, dass lösungsorientierte Vorschläge eine Ausnahme blieben.
Insbesondere durch die Vielseitigkeit der Themenfelder und der wissenschaftlichen Grundlage überzeugt die DVG-Tierschutztagung voll und ganz. Daher ist diese Tagung jedem zu empfehlen und ich persönlich freue mich schon sehr auf die nächstjährige Veranstaltung.
Aimée Lieberum